Die Frauen der RAF im Fokus des Terrorismus

Nach Jahrzehnten klickten die Handschellen (über cozmo news)
Nach Jahrzehnten klickten die Handschellen (über cozmo news)

Fahndungsbilder, Sondereinsatztruppen und ganz viel Aufruhr: Die Verhaftung von Daniela Klette nach 30 Jahren Leben im Untergrund in Berlin berührt ein Mysterium in der Gesellschaft – die Frau und das Böse. Seit Jahrzehnten suchen Fahnder nach den noch flüchtigen Tätern der Roten Armee Fraktion (RAF), während die Gesellschaft nach Erklärungen und dem Kipppunkt sucht. Wo schlägt Protest für manche in Terror und selbstverständliche Gewalt um?

Radikalste Taten führten einst dazu, dass die RAF heute als Phantom aus einer anderen Zeit betrachtet wird. Wo die Taktik der damals anfänglich propagierten „begrenzten Regelverstöße“ endet, beginnt das Leben im Untergrund – und das ist teuer.

Seit Auflösung der RAF 1998 ist die Terrortruppe offiziell Geschichte, nicht aber diejenigen Kämpfer, die sich einst zu ihr bekannten. Die Rentenzeit nach dem Bewaffneten Kampf kostet Geld und führte drei Gesuchte dazu, mehrere Geldtransporter in Niedersachsen für den Lebensunterhalt zu überfallen.

Bis vergangenen Montag galten Daniela Klette, Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg als unauffindbare Phantome. Auffällig dabei: Zwar ist Geschlechterdebatte in aller Munde, doch immer noch ist die Radikalisierung in den Köpfen vieler männlich.

Das mag stereotyp klingen, jedoch bereits die Befreiung Baaders 1970 als dem Kopf der RAF wurde von Frauen initiiert. Die Gründung der RAF trägt einen weiblichen Stempel. Grund genug hinzusehen, ob und wie die Frauen der RAF ihren männlichen Genossen in nichts nachstanden.

Wie besonders ist das weibliche Gesicht des Terrors wirklich?

Terroristische Aktionen und Gewalttaten durch die Frauen der RAF gab es immer. Hungerstreiks. Attentate, Banküberfälle und Geiselnahmen: Die weiblichen Mitglieder der Roten Armee Fraktion waren entschlossen, ihre Ideologie mit brutaler Gewalt zu verbreiten.

In den 1970er Jahren verübten sie Anschläge mit ihren männlichen Kampfgenossen auf politische Gegner, Sicherheitskräfte und US-amerikanische Einrichtungen. Die gezielte Tötung von Personen und die Sprengung von Gebäuden gehörten zu ihren Methoden, um Aufmerksamkeit für ihre radikalen politischen Ziele zu erlangen.

Die Frauen der RAF zeigten keine Skrupel und setzten ihr Leben ein, um den bewaffneten Kampf gegen den Staat voranzutreiben. Ihr Einsatz für die terroristische Organisation führte zu einer Eskalation der Gewalt in Deutschland und Europa, was die Sicherheitsbehörden vor immense Herausforderungen stellte. Trotz internationaler Fahndungsmaßnahmen gelang es einigen weiblichen Terroristen lange Zeit, sich dem Zugriff der Behörden zu entziehen – siehe Daniela Klette, die 30 Jahre untertauchen konnte.

Die Konfrontation mit tradierten Werten

Der Übergang in eine politische Subkultur bedeutet nicht nur eine Ideologie, sondern im Falle der RAF Frauen auch anzupacken. Sie zogen den absoluten Trennungsstrich zwischen sich und dem Feind ohne Rücksicht auf Menschenleben.

Schutz der Großstadt in der Anonymität – damals wie heute eine taktische Wahl der Gesuchten. Dabei ist es eine starke Ausgangsüberzeugung, die Menschen in radikale Kreise bringt. Ein tragisches Lebensgefühl, dass viele Frauen zu schrecklichen Taten führte. So erschoss Siglinde Hofmann mit ihren Kollegen die vier Begleiter Hanns Martin Schleyers und dessen Fahrer, ehe sie gemeinsam Schleyer in Geiselhaft nahmen. Brigitte Mohnhaupt gilt bis heute als von Andreas Baader eingesetzter Kopf. Als Koordinatorin plante sie die Taten des Heißen Herbstes 1977 und gab die Linie vor.

Birgit Hogefeld erschoss Mitte der 80er den US Soldaten Edward Pimental, um sich mittels seiner ID-Card Zugang zur Airbase zu verschaffen – zuvor soll sie dem Soldaten den Ermittlern nach einen Flirt für den Abend vorgegaukelt haben, um sein Vertrauen zu gewinnen und ihn in einem Hinterhalt zu töten.

Bis 2012 steht Verena Becker wegen des Verdachts des Mordes in Stuttgart vor Gericht. Sie soll an der Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback beteiligt gewesen sein, der am Gründonnerstag in Karlsruhe auf offener Kreuzung erschossen wurde. Bei einer Festnahme 1977 ist es Becker, die in Singen Hohentwiel auf ihre Verfolger kaltblütig schießt und diese schwer verwundet.

Die Rolle der RAF Frauen zu beschönigen, ist eine Verklärung des Terrors

Der Terror der RAF war immer schon auch weiblich und nicht weniger blutig als jener der RAF Männer. Romantisch motiviert bis zur absoluten Überzeugungstat – bei den deutschen Terroristinnen war alles dabei. Von der Unterstützung bis zur aktiven Beteiligung am Terrorismus – seit den Anfängen der RAF bis zur Auflösung war die Beteiligung von Frauen an terroristischen Aktivitäten ein zentraler Punkt.

Interessant ist dabei, dass die Frauen der RAF sich selbst zwar als Revolutionärinnen verstanden, nicht aber die Befreiung der Frau thematisierten. Die Freiheit für alle Menschen stand im Fokus der Aktionen. Gekämpft wurde um die gleichen Dinge, die auch die Männer der RAF im Fokus hatten: zynisch gesagt die schöne neue Welt.

Spielte das alte Rollenverständnis keine Rolle?

Nach Jahrzehnten ist deutlich, dass die RAF an sich nie gezielt weibliche Mitglieder anwarb. In einer gezielten Strategie zur Rekrutierung setzte die RAF auf verschiedene Ansätze, um ihre Mitglieder zu gewinnen. Durch politische Themen und eine radikale Ideologie gelang es der Organisation, ebenso weibliche Personen für den Kampf gegen das politische System zu begeistern.

Die Radikalisierung erfolgte oft durch persönliche Kontakte innerhalb der Gruppe, aber auch durch manipulative Ideologien. Die RAF nutzte die Unzufriedenheit vieler junger Menschen mit dem politischen System in Deutschland und Europa gezielt, um neue Mitglieder zu gewinnen.

Das Bild der weiblichen Terroristen nach dem bewaffneten Kampf

Plötzlich pleite nach dem Terror: Als es mit der RAF vorbei war, ging den Kämpfern das Geld aus. Statt Rente galt es auch für die jüngst verhaftete Daniela Klette für den Lebensunterhalt zu sorgen – notfalls mit der Waffe. Das hat wenig mit starker Kunst auf Emanzipation zu tun. Vielmehr ist es Beschaffungskriminalität, die das Leben im Untergrund erfordert.

Es ist davon auszugehen, dass das Gruppengefüge der RAF ohne eine starke, weibliche Präsenz anders verlaufen wäre. Ist das Bild der weiblichen Terroristen in den Medien und der Öffentlichkeit geprägt von Sensationsgier und Stereotypen? Nein, viel mehr wird auf das Phänomen der RAF an sich gesehen und den abstrakten Wunsch, der einst zum Kampf führte. Nämlich eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft. Auffällig ist die Präsenz der Frauen in der RAF dennoch – keine Spur vom weichen und zarten Naturell.

Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin als die Chefstrateginnen, denen über Jahrzehnte noch zahlreiche Frauen folgen sollten. Essenziell ist es, hinter die Schlagzeilen zu blicken und die Komplexität dieser Frauen zu erkennen – als aktive Akteurinnen des Terrorismus, nicht bloß als Randfiguren. Statt differenzierter Betrachtung dominiert oft die Darstellung als willenlose Gehilfinnen männlicher Anführer.

Die Frauen der RAF werden entweder romantisiert oder dämonisiert, ohne Raum für ihre individuellen Beweggründe und Ideologien. Die Fokussierung auf ihr Rollenbild lenkt von ihren Taten ab und verstärkt das Bild der manipulierten Opfer. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Darstellung weiblicher Terroristen ist unumgänglich für eine ausgewogene Diskussion über Terrorismusbekämpfung und Geschlechterrollen in unserer Gesellschaft. Sicherlich wäre das Bild der RAF und die Auswirkung des Kampfes ohne die Frauen in den eigenen Reihen ein andere.

Aber es bleibt was es ist: Die Rote Armee Fraktion war und ist auch eine Gruppe der Frauen. Der Gang in die RAF war sicherlich auch eine Überschreitung der Geschlechternormen, vielleicht fand die weibliche Selbstdeutung ja innen statt. Die Entscheidung für die Rote Armee Fraktion war letztendlich eine individuelle Entscheidung, egal ob Mann oder Frau. Für Daniela Klette endete der Bewaffnete Kampf vergangene Woche unfreiwillig mit ihrer Festnahme. Ihre beiden Kollegen dürften bald folgen.

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