Nicht nur in Deutschland, in ganz Europa rückt die Urlaubssaison näher. Die Einen haben schon gebucht, andere stecken vielleicht noch mittendrin in der Planung. So oder so steigt bei allen die Vorfreude auf die sommerliche Auszeit. Was bei vielen aber oft zu kurz kommt? Reiseversicherungen.
Ein Thema, das nicht unbedingt Urlaubsgefühle weckt, das einem im Notfall jedoch durchaus bares Geld und auch Nerven sparen kann. Aber welche Versicherungen brauchen Urlauber in Europa wirklich? Was kann ohne passieren? Und welche Versicherungen sind vielleicht sogar unnütz?
Karolina Wojtal, Juristin und Co-Leiterin des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland (EVZ), kennt sich mit Versicherungen aus. Im Interview erklärt sie, worauf es für Verbraucher ankommt.
Hallo Frau Wojtal. Was Verbraucher wohl am meisten interessiert: Gibt es beim Thema Reisen eine wirklich unverzichtbare Versicherung?
„Hallo. Also, wirklich wichtig und unverzichtbar ist eigentlich nur die Auslandsreisekrankenversicherung. Ob für den Sommerurlaub, oder auch einfach für einen Kurztrip nach Polen oder Holland. Man rechnet nicht damit, aber das Leben spielt manchmal anders. Sollte es zu einem medizinischen Notfall kommen, ist diese Versicherung viel wert.“
Aber ist meine Krankenkassenkarte nicht für diesen Fall ausreichend? Sie ist doch automatisch in ganz Europa gültig, oder?
„Ja, Letzteres stimmt. Die deutsche Krankenkassenkarte ist automatisch auch die EHIC [englisch „European Health Insurance Card“, dt. Europäische Krankenversicherungskarte]. Damit wird man im Notfall – entsprechend dem Reiseland – quasi zu einem spanischen oder italienischen Patienten. Eigentlich soll dann auch direkt über die Karte abgerechnet werden, aber so funktioniert es leider nur selten. Oft muss der Patient in Vorkasse treten. Zudem sind die abgedeckten Leistungen in den EU-Ländern nicht einheitlich, wodurch sich Lücken auftun. Zurück in Deutschland bleibt man dann unter Umständen auf Kosten sitzen, weil die geleistete Behandlung im Reiseland womöglich gar keine Kassenleistung ist.“
Das ist ärgerlich, klingt aber, als wären die Kosten, auf denen man sitzen bleibt, überschaubar.
„Wenn man Glück hat, ist das so. Doch selbst ein gebrochenes Bein oder ein Blinddarmdurchbruch können schnell immense Kosten verursachen. Und dann gibt es natürlich noch extreme Fälle: Denk an die Skiferien in den Alpen in Österreich oder Frankreich. Hast du dort einen Pistenunfall und musst womöglich mit dem Helikopter geborgen und in das nächste Krankenhaus transportiert werden, kommen da locker vierstellige Summen zusammen. Und diese Kosten übernehmen die gesetzlichen Versicherer definitiv nicht. In dieser Situation würde die Auslandskrankenversicherung greifen. Und für eine Familie ist die bereits für unter 100 Euro Jahresbeitrag zu haben.“
Gut, also ist die Auslandskrankenversicherung ein Muss. Aber wie steht es um die Reiserücktrittsversicherung? Ehrlicherweise bin ich regelmäßig verunsichert, wenn am Ende einer Buchung die Frage danach kommt…
„Das ist nachvollziehbar. Anders als bei der Auslandskrankenversicherung, ist für die Rücktrittsversicherung eine generelle Empfehlung schwierig. Wir raten zu einer solchen Versicherung, wenn a) Kinder mitreisen, man b) die Reise weit im Voraus plant und sie zudem c) sehr teuer ist. Denn der Schaden ist ohne Versicherung bei kurzfristiger Stornierung oft fast der komplette Reisepreis – da ist dann bei vielen die Reisekasse einfach leer und der Jahresurlaub fällt komplett ins Wasser.“
Und wann greift die Versicherung?
„Es gibt klare Bedingungen, die zwar bei den Versicherern variieren, aber auf die Schlagwörter ‚unvorhergesehene Krankheit‘, ‚Unfall‘ und ‚Todesfall in der Familie‘ runtergebrochen werden können. Für jeden dieser Fälle ist ein Nachweis zur Vorlage bei der Versicherung nötig. Eine Reiserücktrittsversicherung ist nämlich kein Freischein, wenn man aus persönlichen Gründen einfach nicht mehr reisen will.“
Sie betonen ‚unvorhergesehene‘ Krankheit, warum? Heißt das, Menschen mit Vorerkrankungen bekommen keine Reiserücktrittsversicherung?
„Unvorhergesehene Krankheiten oder Unfälle können natürlich auch von Menschen mit Vorerkrankung versichert werden. Bei bereits bekannten Erkrankungen ist jedoch besondere Vorsicht geboten: Ich empfehle Verbrauchern sich in einem solchen Fall ein Attest vom Arzt geben zu lassen. Darauf sollte vermerkt sein, dass die Reisetauglichkeit gegeben ist. Aber ehrlicherweise zeigt unsere Erfahrung, dass solche Fälle auch mit Attest haarig bleiben: Oft stellen sich Versicherer trotzdem erstmal quer.“
Letze Frage: Wir haben uns bisher die sinnvollen Versicherungen angeschaut, gibt es denn bezüglich Reisen auch weniger empfehlenswerte?
„Ja, da fallen mir tatsächlich gleich drei Kandidaten ein: Zum einen die Reiseabbruchversicherung, die meiner Ansicht nach nur Sinn macht, wenn sie in der Reiserücktrittsversicherung inkludiert ist. Als Einzelprodukt ist sie schlicht zu teuer und ein Reiseabbruch führt in der Regel nicht zum finanziellen Ruin. Zum anderen die Reisegepäckversicherung, die nur bei wertvollem Sondergepäck eine Überlegung wert ist. Für normales Gepäck eher nicht. Die Bedingungen sind sehr eng gefasst. So sollen Koffer stets im Blick behalten und Handtaschen körpernah getragen werden – hält sich der Reisende daran, macht das die Versicherung quasi überflüssig. Zuletzt würde ich Reisehaftpflicht- und Reiseunfallversicherung zusammenfassen. Denn für beide gilt, dass die eigenen, bereits in Deutschland abgeschlossenen, Versicherungen im Regelfall auch im Ausland gelten. Ausnahmen können lediglich gemietete Dinge, wie Autos oder Ferienimmobilien, bilden.“