Die Bundeswehr hat ihren Einsatz in Afghanistan nach knapp 20 Jahren beendet. Die letzten verbliebenen deutschen Soldaten der Nato-Mission „Resolute Support“ hätten das Camp Marmal in Masar-i-Scharif verlassen, teilte das Bundesverteidigungsministerium am Dienstagabend mit. Sie seien auf dem Rückflug über Georgien und würden am Mittwochvormittag in Deutschland erwartet.
„Ein historisches Kapitel geht zu Ende, ein intensiver Einsatz, der die Bundeswehr gefordert und geprägt hat, bei dem sich die Bundeswehr im Kampf bewährt hat“, erklärte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). „Ein Einsatz, bei dem Angehörige unserer Streitkräfte an Leib und Seele verletzt wurden, bei dem Menschen ihr Leben verloren haben, bei dem wir Gefallene zu beklagen hatten.“
Die Ministerin dankte den mehr als 150.000 Soldatinnen und Soldaten, die seit 2001 in Afghanistan im Einsatz waren. „Sie können stolz sein auf das, was Sie geleistet haben.“ Kramp-Karrenbauer versprach zudem eine offene Debatte über den Einsatz am Hindukusch. „Wir werden offen darüber reden, was gut war, was nicht gut war und was wir gelernt haben.“ Dies gelte nicht nur für die Bundeswehr und ihr Ressort, sondern für die gesamte Bundesregierung.
Die Bundeswehr stellte im Rahmen der nun endenden Nato-Mission „Resolute Support“ das zweitstärkste Kontingent nach den USA. Vor Beginn des Truppenabzugs im Mai waren nach Ministeriumsangaben in Afghanistan noch etwa 1100 deutsche Soldaten stationiert. 59 Bundeswehrsoldaten starben laut Ministerium seit 2001 bei dem Einsatz, 35 davon durch „Fremdeinwirkung“.
In den vergangenen Wochen waren Soldaten und Material der Bundeswehr aus den verbliebenen Standorten in Kabul und Masar-i-Scharif nach Deutschland zurückgebracht worden. Auf dem Land- und Luftweg wurde laut Verteidigungsministerium Material im Umfang von rund 750 Container-Äquivalenten nach Deutschland transportiert. Darunter waren demnach rund 120 Fahrzeuge und sechs Hubschrauber.
„Der Abzug unserer Streitkräfte schreitet in geordneter und koordinierter Weise voran“, erklärte ein Nato-Vertreter am Dienstag zum Abzug der Bundeswehr. Die Nato werde Afghanistan weiterhin unter anderem durch die Ausbildung und finanzielle Unterstützung von Sicherheitskräften zur Seite stehen.
US-Präsident Joe Biden hatte im April angekündigt, dass der Abzug der US-Truppen bis spätestens zum 11. September abgeschlossen sein sollte – dem 20. Jahrestag der Terroranschläge in den USA, die den Einmarsch der US-Armee in Afghanistan zur Folge gehabt hatten. Nach der Verkündung des US-Truppenabzugs aus Afghanistan beschloss dann die gesamte Nato das Ende der Mission bis spätestens September.
Ursprünglich war der Abzug bereits zum 1. Mai anvisiert gewesen. Der frühere US-Präsident Donald Trump hatte den radikalislamischen Taliban dieses Datum in Aussicht gestellt. Der Termin wurde dann wegen fehlender Fortschritte in den Friedensgesprächen zwischen den Taliban und der Regierung in Kabul nicht eingehalten.
Seit dem Beginn des Truppenabzugs hat die Gewalt in Afghanistan wieder zugenommen. Insbesondere in den ländlichen Gegenden kommt es immer wieder zu Kämpfen. Zuletzt hatten die Taliban mit Offensiven gegen die afghanischen Regierungstruppen strategisch wichtige Gebiete in Nordafghanistan unweit von Masar-i-Scharif erobert.
Die Islamisten haben nach eigenen Angaben über 100 der gut 400 Bezirke des Landes erobert. Entsprechende Behauptungen der Taliban werden von Regierungsvertretern oft bestritten und sind nur schwer zu überprüfen. Beobachter befürchten, dass die Taliban nach dem endgültigen Abzug aller Truppen die Hauptstadt Kabul einnehmen könnten.