Der Historiker und NS-Forscher Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, übt scharfe Kritik an der AfD-Bundesvorsitzenden Alice Weidel. „Das ist klassischer Geschichtsrevisionismus, wie wir ihn seit den 1950er-Jahren aus der extremen Rechten kennen“, sagte Wagner der „Welt“ (Dienstagausgabe).
„Mit einem solchen Geschichtsbild zeigt man keinerlei Bereitschaft, sich gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland abzugrenzen und deutlich zu machen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus war. Weidel deutet ihn um in einen Tag der Niederlage.“
Weidel hatte am Sonntag im ARD-Sommerinterview gesagt, sie habe sich dagegen entschieden, „die Niederlage des eigenen Landes mit einer ehemaligen Besatzungsmacht zu befeiern“. Angesprochen worden war sie auf einen Empfang der russischen Botschaft am 9. Mai dieses Jahres, an dem AfD-Chef Tino Chrupalla teilgenommen hatte.
„Weidel macht die Sowjetunion einseitig zur Besatzungsmacht und nimmt damit eine Schuldumkehr vor“, sagte Wagner. „Es hätte keine Besatzungsherrschaft gegeben, wenn Deutschland nicht den Zweiten Weltkrieg vom Zaun gebrochen hätte.“
In Bezug auf Äußerungen des AfD-Spitzenkandidaten zur Europawahl, Maximilian Krah, sagte Wagner: „Das ist dumpfer Nationalismus, pure Verharmlosung des Nationalsozialismus und geht sogar in die Richtung der Verleugnung von NS-Verbrechen. Die AfD hat zuletzt immer mehr die Fassade fallen lassen. Krah postuliert eine drastische Absage an alles, was wir in Deutschland an liberaler Erinnerungskultur haben. Wir erleben in der mühsam aufgebauten Erinnerungskultur einen Hangrutsch. Das macht mir große Sorgen.“ Krah hatte in einem Video gesagt: „Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher.“
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