Trotz Kita-Ausbaus in Deutschland oft zu große Gruppe und zu wenig Erzieher

Gemeinsam Essen in Schule und Kindergarten
Gemeinsam Essen in Schule und Kindergarten

Zu wenig Erzieher und zu große Gruppen: Trotz des bundesweiten Ausbaus der Kitaplätze ist laut einer am Dienstag veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung in vielen Einrichtungen nur eine eingeschränkte Bildungsarbeit möglich. Bundesweit ist demnach etwa jede zweite Kitagruppe nach wie vor zu groß. Zudem stand 2019 für rund 1,7 Millionen Kitakinder nicht genügend Fachpersonal zur Verfügung. Sozialverbände und Gewerkschaften forderten eine Personal- und Qualitätsoffensive.

Laut dem „Ländermonitoring frühkindliche Bildungssysteme“ kam 2019 im bundesweiten Durchschnitt statistisch in Krippengruppen eine Fachkraft auf 4,2 Kinder. In Kindergartengruppen waren es 8,8 Kinder. 2013 hatte der Personalschlüssel in Krippengruppen noch bei eins zu 4,6 Kindern und in Kindergartengruppen bei eins zu 9,6 Kindern gelegen.

Damit verbesserte sich die Personalsituation zwar, aber für 74 Prozent der Kitakinder war der Personalschlüssel der Studie zufolge auch 2019 nicht kindgerecht. In Ostdeutschland betraf dies 93 Prozent der Kinder, in Westdeutschland 69 Prozent.

2019 kamen im Osten auf eine Krippenfachkraft durchschnittlich 5,7 Kinder, im Westen 3,6. In Kindergärten betreute in den ostdeutschen Ländern eine Erzieherin oder ein Erzieher 11,3 Kinder, in Westdeutschland 8,2 Kinder, wobei die Kluft zwischen Baden-Württemberg mit eins zu 6,9 und Mecklenburg-Vorpommern mit eins zu 12,9 am größten war. Damit hängen die Bildungschancen laut Bertelsmann-Stiftung „nach wie vor vom Wohnort ab“. Das Gefälle beim Personalschlüssel flache aber ab.

Auch die Qualifikation des Kitapersonals ist bundesweit sehr unterschiedlich, wobei das Niveau im Osten erheblich höher liegt. In den ostdeutschen Bundesländern ist der Anteil des als Erzieherinnen und Erzieher ausgebildeten Personals mit 82 Prozent um 16 Prozentpunkte höher als in den westdeutschen Bundesländern. Im Westen arbeiten deutlich mehr Kinderpfleger oder Sozialassistenten.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) kritisierte, die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher lasse „sich nicht nur am Betreuungsschlüssel festmachen“. „Millionen Kinder gehen gern in ihre Kita und werden dort gut betreut und gefördert“, erklärte sie. Es sei „nicht richtig, derart gravierende Zweifel an einer kindgerechten Betreuung in den Kitas zu säen“. Sie verwies darauf, dass mit dem Gute-Kita-Gesetz von 2019 bis 2022 allein rund fünfeinhalb Milliarden Euro für mehr Qualität und weniger Gebühren in die Länder fließen würden.

Das Deutsche Kinderhilfswerk kritisierte hingegen, bei der Verbesserung des Personalschlüssels gehe es „nur im Schneckentempo voran“. Nötig seien mehr finanzielle Mittel und bundeseinheitliche Mindeststandards in der Qualität. Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, forderte für den weiteren Kitaausbau auch Bundesmittel über 2022 hinaus. Die Linke im Bundestag forderte ein Sofortprogramm für mehr Kitapersonal.

Auch die Gewerkschaften beklagten die Personalnot in den Kitas. Die Vizechefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Elke Hannack, forderte eine „Fachkräfteoffensive von Bund, Ländern und Kommunen“. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft mahnte „einen Qualitätsschub“ an. Die Verdi-Vorsitzende Christine Behle verwies darauf, dass die Bildung kleinerer Gruppen und die Personalausfälle wegen der Corona-Pandemie aktuell zu einem noch größeren Fachkräftebedarf führten.

Der Paritätische Gesamtverband forderte eine Aufwertung des Erzieherberufs. Kitas seien „keine Massenverwahranstalten, sondern Orte frühkindlicher Bildung“. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte warnte vor möglichen Folgen der Defizite. Entwicklungsverzögerungen bei Kindern könnten so seltener rechtzeitig entdeckt und mit pädagogischen Mitteln behoben werden.

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