Durch die Corona-Krise überschuldete Unternehmen sollen länger von der Pflicht zum Insolvenzantrag befreit bleiben: Die große Koalition verständigte sich am Dienstagabend darauf, die Antragspflicht „für den Insolvenzantragsgrund der Überschuldung“ bis Ende dieses Jahres auszusetzen. Damit soll die momentan noch bis Ende September für überschuldete oder zahlungsunfähige Unternehmen geltende Regelung zumindest bei Überschuldung um drei Monate verlängert werden.
Dies sei „ein wichtiger Schritt für die Unternehmen in Deutschland, die unverschuldet in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind“, erklärten die SPD-Bundestagsabgeordneten Dirk Wiese und Johannes Fechner. Betroffene Unternehmen hätten nun länger Zeit, „sich etwa durch die Annahme von Hilfsprogrammen zu finanzieren oder im Rahmen außergerichtlicher Verhandlungen zu sanieren und so eine drohende Insolvenz abzuwenden“. Das gebe auch Gläubigern eine größere Chance, ihre Forderungen „realisieren zu können“.
Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) zeigte sich erfreut und bezeichnete die Entscheidung des Koalitionsausschusses „mit Blick auf die nach wie vor nicht absehbare Entwicklung der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen“ als konsequent. Viele Betriebe spürten die Folgen der im ersten Halbjahr ausgebliebenen Aufträge und Investitionen erst in der zweiten Jahreshälfte, erklärte der ZDH.
Insolvenzexperte Adrian Bölingen von der Beratungsfirma Baker Tilly kritisierte dagegen die verlängerte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Es sei „gesamtwirtschaftlich fatal“, verschuldete Unternehmen ohne Fortbestehensprognose weiter am Geschäftsleben teilnehmen zu lassen, erklärte er. Auch die Gläubiger blieben so mittelfristig auf ihren Forderungen sitzen.
Die Zahl insolvenzreifer Unternehmen nehme in der Krise zu – und „mit jedem Tag der Aussetzung dreht sich diese Abwärtsspirale ständig weiter“, erklärte Bölingen. Er warnte außerdem vor möglicher Insolvenzverschleppung: „Das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht wird häufig auch von Unternehmen genutzt, deren Krise ursächlich gar nicht auf den Folgen der Corona-Pandemie beruht.“ Offiziell greift die Regelung zur Pflichtaussetzung in solchen Fällen nicht.