„The Lancet“ ändert nach Hydroxychloroquin-Skandal Prüfregeln für Publikationen

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Symbolbild: Medizinische Assistentin im Labor

Die renommierte medizinische Fachzeitschrift „The Lancet“ hat wegen eines Skandals um eine Studie zur Wirksamkeit des Malaria-Mittels Hydroxychloroquin bei Coronavirus-Infektionen ihre Vorgaben für Veröffentlichungen überarbeitet. Damit würden „die Risiken von Forschung- und Publikationsfehlern weiter verringert“, versicherte die Zeitschrift in einem Artikel, der am Donnerstagabend auf ihrer Website veröffentlicht wurde. Demnach geht es vor allem um eine bessere Überprüfung der Daten, die fraglichen Studien zugrunde liegen.

„The Lancet“ hatte im Mai eine Studie veröffentlicht, derzufolge Hydroxychloroquin keine positive Wirkung auf Corona-Patienten hat und sogar das Sterberisiko erhöhen kann. Die Arbeit stützte sich auf die Auswertung von Daten von rund 100.000 Patienten auf der ganzen Welt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) setzte daraufhin klinische Tests mit dem Mittel vorübergehend aus.

Experten stellten später allerdings die Methodik und die Datengrundlage der Studie in Frage: Das US-Unternehmen Surgisphere, das die Rohdaten zur Verfügung gestellt hatte, weigerte sich demnach, genaue Angaben zum Ursprung der Daten zu machen. Als problematisch wurde zudem gesehen, dass der Geschäftsführer von Surgisphere als Co-Autor der Studie geführt wurde.

Drei der insgesamt vier Co-Autoren räumten schließlich Zweifel an den Studienergebnissen ein. „The Lancet“ zog die Studie zurück und entschuldigte sich. Nach Angaben des Magazins soll nun das sogenannte Peer-Review-Verfahren verbessert werden, bei dem unabhängige Fachkollegen die Qualität einer wissenschaftlichen Publikation überprüfen.

Künftig soll bei auf großen Datenmengen beruhenden Publikationen „mindestens einer der Gutachter die Einzelheiten dieser Daten kennen“ und in der Lage sein, „deren Relevanz und Grenzen für das Thema der Studie zu verstehen und zu kommentieren“, erklärte „The Lancet“. Für größere Datenbanken will das Magazin zudem einen „Experten für Datenwissenschaft“ engagieren.

Auch den Autoren will die Zeitschrift in Zukunft schärfere Vorgaben machen. Demnach soll mindestens einer von ihnen direkten Zugang zu den Rohdaten der Studie gehabt und diese verifiziert haben. Dieser Autor darf zudem in keiner Verbindung zu der Firma stehen, welche die Daten zur Verfügung gestellt hat.

Der Einsatz von Hydroxychloroquin bei der Behandlung von Covid-19-Patienten ist weiterhin umstritten. Seine Wirksamkeit ist wissenschaftlich nach wie vor nicht nachgewiesen. Das Mittel wurde wiederholt von US-Präsident Donald Trump und Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro beworben, die andererseits wenig von Corona-Schutzmaßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen halten.

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