Der französische Präsident Emmanuel Macron hat die Regierung in Ankara aufgefordert, Aufklärung über die mutmaßliche Verlegung von dschihadistischen Kämpfern aus Syrien nach Berg-Karabach zu schaffen. Damit sei „eine rote Linie überschritten worden“, sagte Macron in der Nacht zum Freitag beim EU-Gipfel im Brüssel. Macron führte Geheimdienstberichte ins Feld, wonach 300 Kämpfer „dschihadistischer Gruppen“ nach Berg-Karabach verlegt worden sein sollen.
Laut Macron reisten die Dschihadisten vom syrischen Aleppo über die türkische Stadt Gaziantep in das Kaukasusgebiet. Diese Kämpfer seien „bekannt“ und „identifiziert“. Der französische Staatschef verlangte von Ankara „Erklärungen“ zu der mutmaßlichen Verlegung der Dschihadisten. An die Nato-Partner appellierte Macron, diesem „Verhalten“ des Bündnismitglieds Türkei entschlossen entgegenzutreten. Er kündigte an, dass er in den nächsten Tagen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan telefonieren werde.
In Berg-Karabach waren am Sonntag neue Kämpfe ausgebrochen. In dem seit Jahrzehnten zwischen Armenien und Aserbaidschan umstrittenen Gebiet hatte in den vergangenen Jahren relative Ruhe geherrscht. Zu den Opferzahlen der jüngsten Gefechte gibt es bisher nur unvollständige Angaben. Auf armenischer Seite sollen bis Donnerstag 104 Soldaten und acht Zivilisten getötet worden sein. Aserbaidschan schweigt über Opfer in seiner Armee und spricht lediglich von 19 getöteten Zivilisten.
Berg-Karabach liegt in Aserbaidschan, wird aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt, welche die Region auch unter ihrer Kontrolle haben. Die selbsternannte Republik Berg-Karabach wird international nicht anerkannt und gilt völkerrechtlich als Teil Aserbaidschans.
In dem Konflikt spielt auch die Konkurrenz zwischen Russland und der Türkei um Einfluss in der südlichen Kaukasusregion eine wichtige Rolle. Das ölreiche Aserbaidschan hat seine Armee in den vergangenen Jahren hochgerüstet und kann auf die Unterstützung der Türkei zählen. Russland gilt historisch als Armeniens Schutzmacht und unterhält dort einen Militärstützpunkt. Zugleich pflegt Moskau gute Beziehungen auch zu Aserbaidschan und beliefert es mit Waffen.