Ein Mittagessen, eine Handtasche, ein Traumstrand bestens in Szene gesetzt in hübschen Fotos: Vor einem Jahrzehnt kam der Online-Bilderdienst Instagram auf den Markt – und hat seither er die Art und Weise verändert, wie wir essen, reisen und konsumieren. Als Kevin Systrom und Mike Krieger am 6. Oktober 2010 in den USA ein soziales Netzwerk zum Austausch von Fotos starteten, bot die für Smartphones entwickelte App neue Filter zur Anpassung von Helligkeit, Kontrast und Farben. Damit konnte man im Handumdrehen das perfekte Foto kreieren – und das kam enorm gut an.
Ob Urlaub, Party oder Restaurantbesuch – alles wurde zur Kulisse von Selbstporträts zum Posten und Kommentieren. Als Instagram zwei Jahre nach seinem Start von Facebook gekauft wurde, war es bereits weltweit beliebteste Plattform für Selfies. Internetstars und andere Promis erreichen über Instagram weltweit Dutzende Millionen Menschen. Kylie Jenner aus dem Kardashian-Clan hat 196 Millionen Follower.
„Wir sind in das Zeitalter der ‚Internet-Realität‘ eingetreten, in dem wir nur durch das existieren können, was wir auf sozialen Medien posten“, analysiert Michaël Stora, Psychologe und Vorsitzender des Forschungskollektivs Observatorium für digitale Welten (OMNSH) in Frankreich. „Ich mache Selfies, also bin ich“, fasst der Wissenschaftler zusammen.
Die App wurde zur Lieblingsplattform für Luxusmarken, insbesondere Fast-Fashion-Labels, die mit digitalen Marketingstrategien dort Millionen Nutzer gezielt umwerben können. Eine 2019 eingeführte Shopping-Funktion verwandelte Instagram in eine E-Commerce-Site, mit der die Unternehmen ihre Profile als virtuelle Schaufenster nutzen: Ihre Zielgruppe kann hier einkaufen und bezahlen, ohne die App zu verlassen.
Instagram brachte unzählige Influencer hervor, die ihre treuen Anhänger täglich mit Fotos, Videos und Kaufempfehlungen versorgen. „Die Marken schicken mir das Produkt und ich biete den ganzen Service darum herum“, sagt die 36-jährige Pauline Privez, seit 2009 Fashion- und Beauty-Influencerin. „Damit müssen sie sich nicht mehr an eine Werbeagentur wenden, wir kümmern uns um alles.“
Daneben umwerben Modehersteller die Verbraucher ohne Zwischenhändler nun genau dort, wo sie sich aufhalten: Ihre Bilder werden auf den Handys ihrer Zielgruppe zwischen zwei Posts und im gleichen quadratischen Format angezeigt.
Insbesondere für die Luxusindustrie erweise sich Instagram als Segen, da die Labels nun über ihre eigenen Konten täglich mit den Nutzern interagieren könnten, erklärt die Modehistorikerin Audrey Millet: „Indem sie Gratis-Inhalte veröffentlichen, öffnen sie sich für jedermann und legen damit das snobistische Image ab, das ihnen bisher anhaftete.“
Auch in der Gastronomie hat die App für Veränderungen gesorgt: Seit Nutzer Fotos ihres Avocado-Toasts posten oder ihren Latte Macchiato auf Instagram verewigen, setzen Restaurantbetreiber zur Kundengewinnung auf sorgfältig inszenierte Fotos von Speisen und Interieur. Einige bieten Tischreservierungen direkt über Instagram.
Da Instagram auch zur Urlaubsplanung genutzt wird, stützen sich viele Tourismusbüros bei der Werbung für ihre Destinationen auf Instagram. Influencerin Privez geht pro Jahr sechs bis sieben Mal auf gesponserte Reisen, postet im Gegenzug ihre „Erfahrungen“ und bekommt dafür zusätzlich Geld.
Doch für viele junge Leute sei die Jagd nach Instagram-Likes zur Sucht geworden und das könne verheerende Auswirkungen haben, warnt Internet-Experte Stora. Insbesondere Heranwachsenden vermittle Instagram ein falsches Bild der Realität und erzeuge so ein Streben nach Perfektion, „dem sie nicht gerecht werden können“.
Diesen Druck spüren auch Influencer. Privez hat daraus Konsequenzen gezogen: „Im Beruf bin ich gezwungen, auf Instagram zu bleiben, aber in meinem Privatleben löse ich mich immer mehr davon.“