Die juristische Kämpferin für „das Reich Gottes“ ist längst ein Wahlkampfthema

Donald Trump (li.) und Amy Barrett (re.) - Bild: Shealah Craighead / White House
Donald Trump (li.) und Amy Barrett (re.) - Bild: Shealah Craighead / White House

Amy Coney Barrett ist erzkonservativ, tief religiös – und steht im Zentrum eines erbitterten politischen Streits, der längst auch ein wichtiges Wahlkampfthema ist. Denn sollte die 48-jährige Juristin wie erwartet als neue Verfassungsrichterin bestätigt werden, würde die konservative Mehrheit am US-Supreme Court nicht nur ausgebaut, sondern auf Jahre zementiert. Präsident Donald Trump will die umstrittene Personalie noch vor der Präsidentschaftswahl am 3. November durchdrücken. Am Montag beginnen die Senatsanhörungen für Barretts Bestätigung.

Trump hatte die bislang in Chicago arbeitende Bundesrichterin im September nach dem Tod der liberalen Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg für den mächtigen Obersten Gerichtshof in Washington nominiert. Die oppositionellen Demokraten reagierten empört. Ihr Präsidentschaftskandidat Joe Biden warf dem Amtsinhaber „Machtmissbrauch“ vor, weil er den extrem wichtigen Posten so kurz vor der Wahl besetzen will.

Doch auch an der Kandidatin Barrett selbst nehmen die Demokraten Anstoß. Die strenggläubige Katholikin und siebenfache Mutter, die unter anderem zwei adoptierte Kinder aus Haiti und einen Sohn mit dem Down-Syndrom hat, ist eine strikte Abtreibungsgegnerin. Sie hat sich auch für das Recht auf Waffenbesitz eingesetzt und ist gegen die als „Obamacare“ bekannte Gesundheitsreform von Trumps Amtsvorgänger Barack Obama vorgegangen.

Ihre religiösen Ansichten waren immer wieder Stein des Anstoßes. In ihrer Zeit als Jura-Professorin an der renommierten katholischen Privatuniversität Notre Dame sagte Barrett einmal in einer Vorlesung, eine Justiz-Karriere sei immer nur ein „Mittel zum Zweck“ – und das Ziel sei, „das Reich Gottes aufzubauen“. Kritiker halten ihr diesen Satz bis heute vor.

Bei einer Senatsanhörung für Barretts Bestätigung als Richterin am Bundesberufungsgericht in Chicago warf ihr die Senatorin Dianne Feinstein von den Demokraten im Jahr 2017 vor: „Das Dogma lebt laut in Ihnen.“

Das stärkte aber nur Barretts Ansehen bei der religiösen Rechten, wo sie wie eine Heldin verehrt wird. Eine Gruppe vertrieb gar Tassen mit dem Konterfei der Juristin und dem Feinstein-Satz. Die in New Orleans im konservativen Süden geborene Barrett selbst argumentiert, sie könne sehr wohl zwischen ihrem Glauben und ihren Aufgaben als Richterin unterscheiden.

Sollte die 48-Jährige wie erwartet in dem von Trumps Republikanern dominierten Senat auf Lebenszeit als Verfassungsrichterin bestätigt werden, hätten konservative Richter am Supreme Court künftig eine komfortable Mehrheit von sechs zu drei Stimmen. Frauenrechtsgruppen befürchten, dass der Oberste Gerichtshof dann das Urteil „Roe gegen Wade“ kippen könnte, mit dem 1973 das grundsätzliche Recht auf Abtreibung verankert worden war. 

Die Demokraten warnen zudem, sollte der Supreme Court die Obama-Gesundheitsreform für ungültig erklären, würden Millionen Menschen ihre Krankenversicherung verlieren. Die Oppositionspartei nutzt das, um wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl Wähler zu mobilisieren.

Im Raum steht auch eine Drohung, die es in sich hat: Sollten die Republikaner die Personalie Barrett vor der Wahl durchdrücken, könnten die Demokraten bei einem Sieg am 3. November das Verfassungsgericht vergrößern – und mit neuen liberalen Richtern auffüllen. Sowohl Biden als auch seine Vize-Kandidatin Kamala Harris haben es bei den Fernsehdebatten der vergangenen Tage abgelehnt, diese Möglichkeit auszuschließen.

Doch Barrett könnte schon bei der Präsidentschaftswahl selbst eine wichtige Rolle spielen. Der in Umfragen zurückliegende Trump schürt seit Monaten Zweifel am Wahlprozess und dürfte gegen eine mögliche Niederlage juristisch vorgehen. Der Amtsinhaber hat deutlich gemacht, dass er bis vor den Obersten Gerichtshof ziehen könnte. Da schadet es sicherlich nicht, im Supreme Court möglichst viele wohlgesonnene Richter zu haben.

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