Geschlossene Bars und Restaurants, menschenleere Straßen und ein neuer Höchststand von über 32.000 Corona-Neuinfektionen: Angesichts der alarmierenden Corona-Zahlen gilt seit Samstag in Paris und vielen weiteren französischen Großstädten ab 21.00 Uhr eine nächtliche Ausgangssperre – an die sich die Einwohner am ersten Abend auch penibel hielten. In den Stunden davor aber waren die Bars und Restaurants vollbesetzt.
Paris wirkte am Samstagabend gegen 22.00 Uhr so als ob es 05.00 Uhr morgens wäre: Leere Bürgersteige selbst in den Ausgehvierteln, vor den Bars und Restaurants stapelten sich die Stühle, auf den Straßen waren nur einige Essens-Lieferanten auf Fahrrädern oder Scootern unterwegs. Die wenigen Passanten, die noch draußen waren, mussten dafür gute Gründe haben, etwa den Weg zur oder von der Arbeit.
Die Polizeipatrouille, die in der Nähe der Sorbonne in der Pariser Innenstadt über die Einhaltung der Ausgangssperre wachte, war zufrieden – ebenso wie viele ihrer Kollegen in den anderen Städten mit besonders hohen Corona-Zahlen: Marseille, Lyon, Lille, Rouen, Saint-Etienne, Grenoble, Toulouse und Montpellier.
Rund 20 Millionen Einwohner, fast ein Drittel der Bevölkerung, dürfen in den nächsten vier Wochen ihre Häuser oder Wohnungen zwischen 21.00 Uhr und sechs Uhr morgens nicht mehr verlassen. Wer sich nicht daran hält und kein Formular mit den erlaubten Ausnahmegründen vorweisen kann, muss 135 Euro Strafe zahlen. Sollten die strikten Maßnahmen gegen Corona nicht erfolgreich sein, droht bereits eine Verlängerung des Teil-Lockdowns, laut Präsident Emmanuel Macron möglicherweise bis zum 1. Dezember.
Doch die Ausgangssperre kann viele Franzosen von ihren geliebten Gewohnheiten nicht abhalten: Noch am Freitag, an dem die die Ausgangssperre erst um Mitternacht in Kraft trat, glich die Stimmung in den Straßen von Paris einem Silvesterabend – und auch am Samstag herrschte in den Bars, Bistrots und Restaurants bis 21.00 Uhr reger Betrieb.
„Wir werden das so sehr genießen, wie wir nur können“, sagte der 19-jährige Kurtys Magdelo der Nachrichtenagentur AFP, der sich für Freitagabend mit Freunden zu einer Tour durch mehrere Bars verabredet hatte.
Obwohl die Ausgangssperre in der Bevölkerung Umfragen zufolge breite Unterstützung findet, beschwerten sich mehrere Restaurantbesitzer bitterlich: Die Maßnahme ergibt ihrer Ansicht nach wenig Sinn angesichts der strengen Corona-Regeln, die bereits gelten. „So etwas habe ich in den 50 Jahren, die ich hier bin, noch nie gesehen“, sagte Restaurantbesitzer Stain Roman.
Auch die Behörden mehrerer Städte zeigten sich besorgt über die wirtschaftlichen Folgen der mindestens vierwöchigen Teil-Ausgangssperre. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo und Kultusministerin Roselyne Bachelot riefen die Regierung auf, die Regeln für kulturelle Einrichtungen zu lockern. Finanzminister Bruno Le Maire erteilte solchen Forderungen eine Absage: „Wenn wir anfangen, Ausnahmen zu erlauben, werden wir es nicht schaffen“, sagte er.
Die französische Gesundheitsbehörde meldete am Samstagabend 32.427 neue Infektionsfälle und damit einen erneuten Höchststand seit Beginn der Pandemie. Die Zahl der Todesfälle stieg binnen 24 Stunden um 90 auf insgesamt 33.392. Frankreich zählt zu den am stärksten von der Corona-Pandemie betroffenen Ländern in Europa.
Die neue Ausgangssperre ist in Frankreich die härteste Maßnahme seit Ende des landesweiten Lockdowns am 11. Mai. Viele sind dennoch skeptisch, ob die Maßnahmen die sich ausbreitenden Infektionen eindämmen können. Manche suchen schon nach Auswegen: Um weiter mit Freunden zum Essen oder Trinken gehen zu können, wollten sich künftig alle einfach „früher als gewohnt“ treffen, berichtete der 28-jährige Dimitri in Rouen.