Türkei und Frankreich: Wortwechsel wie unter Feinden

Flagge der Türkei
Flagge der Türkei

Schweres Geschütz hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gegen seinen französischen Kollegen Emmanuel Macron aufgefahren. Macron solle seinen „Geisteszustand“ untersuchen lassen, empfahl ihm der starke Mann in Ankara. Nun rief er auch noch zu einem Boykott französischer Waren auf. Auslöser der Attacken ist ein Streit um Islam und Islamismus, doch schon seit Wochen liegen die beiden Nato-Partner bei anderen, geostrategisch wichtigen Themen über Kreuz.

Zu diesen Konfliktpunkten zählt die Frage, wem die Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer gehören oder der neuerlich entflammte Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Kaukasusregion Berg-Karabach. Macron wählte in den vergangenen Wochen nicht immer die freundlichsten Worte, wenn er auf Erdogan zu sprechen kam. Der türkische Präsident zeichne sich durch eine Politik des „Expansionsdrangs“ im östlichen Mittelmeerraum aus, kritisierte er. Auch trage Erdogan eine „kriminelle und historische Verantwortung“, was den Konflikt in Libyen angehe. Dort sind Söldner aus Syrien im Einsatz, die von der Türkei geschickt wurden.

So schaukelte sich der Schlagabtausch zwischen Erdogan und Macron über Wochen hoch, bevor er am Wochenende mit dem Rückruf des französischen Botschafters aus Ankara und am Montag mit dem Aufruf zum Boykott französischer Produkte durch Ankara weiter eskalierte. Erdogan hatte Macron zuvor schon unter anderem als „unfähigen Streber“ tituliert. Der türkische Staatschef war insbesondere verärgert, dass sich Frankreich im Konflikt um die Gasvorkommen im Mittelmeer eindeutig auf die Seite Griechenlands stellte und sogar Rafale-Kampfjets in das umstrittene Seegebiet entsandte. Bertrand Badie, Politikwissenschaftler an der französischen Elite-Hochschule Sciences Po, bescheinigte Macron unlängst, er sehe sich als „Führungsfigur“ in Europa. Gerade durch den Schulterschluss mit Athen habe er sich zum „idealen Punching-Ball“ für Erdogan gemacht. 

Das jüngste Zerwürfnis zwischen den beiden Staatschefs entzündete sich aber an Macrons starken Worten zur Verteidigung der Meinungsfreiheit in seinem Land, nachdem Mitte Oktober der Geschichtslehrer Samuel Paty von einem mutmaßlich islamistischen Angreifer enthauptet worden war, weil er seinen Schülern Mohammed-Karikaturen im Unterricht gezeigt hatte. Macron erklärte daraufhin, Frankreich werde auf das Zeigen von Karikaturen nicht verzichten – zuvor hatte er bereits gesagt, der Islam stecke in einer „Krise“. In der Folge gab es in mehreren muslimischen Ländern Demonstrationen gegen Macron, so dass sich wiederum der islamisch-konservative Erdogan in seiner selbstgewählten Rolle als Fürsprecher der muslimischen Welt bestärkt sehen konnte.

In Katar, Kuwait und Jordanien sollen nun in Supermärkten französische Waren aus den Regalen genommen werden. Der französische Arbeitgeberverband Medef warnte seine Mitglieder vor einer „Erpressung“: „Unsere Werte zählen mehr als unsere Geschäfte.“ Das war allerdings noch bevor Erdogan persönlich als Staatschef zum Boykott französischer Produkte aufrief.

Unterstützung bekam Macron aus Berlin, obwohl die Bundesregierung sonst immer um Ausgleich und Deeskalation mit Ankara bemüht ist. Die Verbalattacken Erdogans auf Macron nannte der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) „diffamierend“ und „ganz und gar inakzeptabel“. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sprach von einem „neuen Tiefpunkt“ in den Beziehungen zu Ankara. Deutschland stehe solidarisch an der Seite Frankreichs, auch „im Kampf gegen islamistische Extremisten“.

Wohl oder übel könnte aber den deutschen Diplomaten eine wichtige Rolle dabei zufallen, den Konflikt zwischen Macron und Erdogan wieder zu entschärfen. Als im September der Streit um die Erdgasvorkommen im Mittelmeer in einen kriegerischen Konflikt umzukippen drohte, erinnerte Türkei-Spezialistin Dorothée Schmid vom französischen Institut für Internationale Beziehungen (Ifri) bereits daran, dass „das wirtschaftliche Gewicht Deutschlands“ eine wesentlich größere Bedeutung haben könne, die Regierung in Ankara zur Räson zu bringen, „als eine militärische Machtdemonstration Frankreichs“.

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