Der deutsche EU-Vorsitz sieht keinen Durchbruch bei den Bemühungen, eine europäische Asylreform zu vereinbaren. Es sei „noch nicht endgültig der Gordische Knoten durchschlagen“, sagte Innen-Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) am Montag. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) übergibt das seit Jahren umstrittene Dossier nun in Form eines „Fortschrittsberichts“ an die nachfolgende portugiesische Ratspräsidentschaft. Die Erfolgsaussichten bleiben angesichts unverändert grundsätzlicher Differenzen ungewiss.
Die EU-Staaten streiten seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 über die Asylreform. Die EU-Kommission hatte im September einen neuen Vorschlag unterbreitet. Er sieht beschleunigte Asylverfahren direkt an den Außengrenzen und schnellere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber vor.
Osteuropäische Länder wie Ungarn lehnen die Pläne jedoch ab, weil sie weiter Quoten für die Verteilung von Flüchtlingen in der EU enthalten. Hauptankunftsländer für Migranten im Süden der Union wie Italien und Griechenland kritisieren ihrerseits, dass keine gerechte Lastenteilung vorgesehen ist.
Bundesinnenminister Seehofer war das Dossier zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Juli mit großem Elan angegangen. Noch im November hatte sich der CSU-Politiker optimistisch gezeigt, dass bis Jahresende zumindest eine Grundsatzeinigung auf wesentliche Punkte möglich sei.
Die Ergebnisse sind laut dem deutschen „Fortschrittsbericht“ überschaubar. „Der notwendige Neuanfang wurde eingeleitet“, heißt es in dem Dokument, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt. Es sei aber klar, „dass die Debatte über den neuen Pakt in einer frühen Phase“ sei.
Weil er erneut nach einem Corona-Kontakt in Quarantäne musste, konnte Seehofer am Montag selbst nicht an der letzten Video-Konferenz mit seinen EU-Kollegen unter deutscher Präsidentschaft teilnehmen. Sein Staatssekretär Mayer wertete es als Erfolg, dass „kein einziger EU-Mitgliedstaat“ die Reformpläne grundsätzlich ablehne. Er räumte aber ein, dass die Differenzen zwischen Süd- und Osteuropäern „noch zu groß sind“.
Die Grünen im Europaparlament sahen „die Strategie der deutschen Ratspräsidentschaft (…) gescheitert“. Es gebe an den EU-Außengrenzen weiter keine Lösung für „Leid, Chaos und Gewalt gegen Schutzsuchende“, erklärte der EU-Abgeordnete Erik Marquardt. „Alles, was Bundesinnenminister Horst Seehofer in der EU-Asylpolitik vorzuweisen hat, ist ein Fortschrittsbericht ohne Fortschritte.“
Der EU fehle „ganz offenbar der Wille“ zu einer humanitären Asylpolitik, erklärte die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke. „Die Binnenländer fordern weiterhin Massenlager an den Außengrenzen, und die Küstenländer gestalten die bereits bestehenden Lager so elend wie irgend möglich.“
„Weitere Diskussionen“ sind laut Fortschrittsbericht bei den geplanten Asylverfahren direkt an den EU-Außengrenzen nötig. Einige Mitgliedstaaten seien bei der Praktikabilität, Verwaltungsaufwand und der Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Migranten skeptisch, heißt es.
Umstritten sind auch die von der EU-Kommission vorgeschlagenen „Rückkehrpatenschaften“. Mitgliedstaaten könnten sich demnach, statt Flüchtlinge in Krisensituationen aufzunehmen, um die Abschiebung von bereits abgelehnten Asylbewerbern kümmern. Die Kritik entzündet sich jedoch daran, dass sich die Länder doch verpflichten müssten, die Menschen nach einer gewissen Zeit bei sich aufzunehmen, wenn ihnen die Abschiebung nicht gelingt.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl warnte erneut vor dem Aushebeln des Asylrechts durch die EU-Pläne. Die Organisation befürchtet „ein rigoroses Aussieben der Anträge von Schutzbedürftigen“. Geplante „Grenzverfahren unter Haftbedingungen“ drohten, „die Zukunft des Flüchtlingsschutzes in Europa zu werden“.