Die Mainzer Firma Biontech geht davon aus, dass ihr Impfstoff auch gegen die in Großbritannien entdeckte Mutation des Coronavirus wirkt. Dafür halte er „die Wahrscheinlichkeit für hoch“, sagte Firmenchef Ugur Sahin am Montagabend im Internetprogramm der „Bild“-Zeitung. Das Vakzin war am Montag in der EU zugelassen worden.
Die neue Mutation des Coronavirus, die bislang vor allem in Südostengland festgestellt wurde, bereitet allerdings weltweit große Sorgen. Der britische Premierminister Boris Johnson hatte am Wochenende erklärt, diese Form des Erregers sei „bis zu 70 Prozent ansteckender“ als die Ursprungsvariante. Zahlreiche Staaten beschränkten den Reiseverkehr mit Großbritannien. Deutschland kappte wie andere Staaten die Flugverbindungen mit dem Land.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) trat allerdings der Einschätzung der britischen Regierung entgegen, durch die Neumutation sei die Corona-Lage „außer Kontrolle“. Selbst wenn sich das Virus sich nun „ein kleines bisschen effizienter“ ausbreite, könne es gestoppt werden, sagte der WHO-Direktor für medizinische Notfälle, Michael Ryan. Er rief aber dazu auf, die Maßnahmen zur Eindämmung der neuen Virus-Variante zu verstärken.
Auch der deutsche Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnte vor Panik. Mutationen seien bei Viren „nicht ungewöhnlich“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ und betonte: „Wir sollten ruhig und sachlich damit umgehen.“ Noch sei nach dem Urteil von Virologen nicht klar, ob die Ansteckungsgefahr durch die neue Virus-Variante tatsächlich deutlich höher sei. Dazu gebe es „noch keine klare wissenschaftliche Faktenlage“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer.
Biontech-Chef Sahin sagte, es gebe „keine Erkenntnisse“ darüber, dass das von seiner Firma zusammen mit dem US-Partner Pfizer entwickelte Vakzin nicht gegen die neue Form des Virus wirken könnte. In den vergangenen Monaten habe es bereits mehr als 20 verschiedene Mutationen des Erregers gegeben. Alle seien von Biontech untersucht worden. Dabei sei jedes Mal festgestellt worden, dass die Wirkung des Impfstoffs durch die Mutationen „nicht beeinträchtigt“ worden sei.
Allerdings lasse sich die Wirksamkeit des Impfstoffs auch gegen die neueste Virus-Mutation derzeit nicht „garantieren“, sagte Sahin auch. Seine Firma werde das Vakzin innerhalb der nächsten 14 Tage an der neuen Virus-Variante testen. Er sei „zuversichtlich“, dass der Impfstoff „auch hier funktionieren wird“. Auch die europäische Arzneimittelbehörde EMA erklärte, es gebe keine Anzeichen dafür, dass der Impfstoff nicht auch gegen die neue Coronavirus-Variante wirkt.
Die EU-Kommission hatte das Biontech-Pfizer-Vakzin am Montag zugelassen. Nur wenige Stunden zuvor hatte die EMA dafür ihr erforderliches grünes Licht gegeben. Die Impfungen sollen nun in Deutschland direkt nach Weihnachten beginnen.
Am Samstag soll Deutschland eine erste Lieferung von mehr als 150.000 Dosen erhalten, wie die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit unter Berufung auf das Bundesgesundheitsministerium mitteilte. Bis Jahresende sollen dann knapp 1,2 Millionen weitere Impfdosen folgen.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) gab am Dienstagmorgen die Zahl von 19.528 Corona-Neuinfektionen bekannt. Die Zahl der Corona-Todesfälle stieg binnen 24 Stunden um 731 auf insgesamt 27.006. Die sogenannte Sieben-Tages-Inzidenz betrug 197,6. Dabei handelt es sich um die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in diesem Zeitraum.
Die Sieben-Tage-Inzidenz ist ein wesentlicher Maßstab für die Verhängung und Lockerung von Maßnahmen gegen die Ausbreitung des neuartigen Virus. Ziel der Bundesregierung ist es, die Inzidenz auf unter 50 zu drücken, sie stieg zuletzt aber immer weiter an. Seit Mittwoch gilt in ganz Deutschland ein harter Lockdown. Ein Großteil der Geschäfte ist geschlossen, wie auch die meisten Schulen und Kitas.