EU und Großbritannien suchen Brexit-Einigung in letzter Sekunde

Symbolbild: Brexit
Symbolbild: Brexit

Neun Tage vor dem Ende der Brexit-Übergangszeit arbeiten die EU und Großbritannien weiter an einer Einigung auf ein Handelsabkommen in letzter Sekunde. Er wolle den zuletzt festgefahrenen Verhandlungen „einen letzten Schub“ geben, kündigte EU-Unterhändler Michel Barnier am Dienstag an. Am Vorabend hatte sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit einem Telefonat mit Großbritanniens Premierminister Boris Johnson in die Gespräche eingeklinkt.

„Wir sind wirklich am entscheidenden Moment“, sagte Barnier vor einem Treffen mit den Botschaftern der EU-Länder, bei dem er diese über den Stand der Verhandlungen zu informieren wollte. Er werde weiter „in voller Transparenz“ gemeinsam mit dem EU-Parlament und den Mitgliedstaaten an einer Einigung arbeiten. Die Zeit dafür ist mittlerweile äußerst knapp.

Großbritannien war zum 1. Februar aus der EU ausgetreten, bis zum Jahresende bleibt das Land aber noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Die Zeit für die fristgerechte Ratifizierung des Handelsabkommens ist nach Angaben des EU-Parlaments bereits abgelaufen. Denkbar wäre noch eine vorläufige Anwendung einer möglichen Einigung innerhalb der kommenden Tage, um die gravierenden wirtschaftlichen Folgen eines Chaos-Brexit zu verhindern.

Aus EU-Kreisen hieß es allerdings, dass es auch für eine vorläufige Anwendung mit nachgeschobener Ratifizierung eine Einigung bis Weihnachten bräuchte. Der 23. Dezember sei dabei aber keine harte Deadline, sagte ein EU-Diplomat. Sollte ein Verhandlungserfolg am 24. oder 25. Dezember in Reichweite erscheinen, würden die Verhandlungen sicherlich fortgeführt.

Hauptstreitpunkte in den Verhandlungen sind seit Monaten faire Wettbewerbsbedingungen, die Kontrolle eines künftigen Abkommens und der Zugang zu britischen Gewässern für EU-Fischer. Während es bei den ersten beiden Knackpunkten zuletzt wesentliche Fortschritte gegeben hatte, blieb die Fischerei-Frage bis zuletzt schwierig.

Im Detail geht es um Kürzungen der erlaubten Fangmengen in Großbritanniens Gewässern für EU-Fischer und die Länge einer Übergangszeit für deren Einführung. Zuletzt hieß es in Medienberichte, dass Großbritannien der EU mit einem Angebot für eine längere Übergangszeit entgegengekommen sei. Nach AFP-Informationen ging dies insbesondere Frankreich aber noch nicht weit genug.

Führende EU-Parlamentarier forderten unterdessen von Großbritannien, auch wegen der schwierigen Lage inmitten der Corona-Pandemie eine Verlängerung der Übergangsphase zu beantragen. Die Hand der EU für eine zeitlich begrenzte Ausdehnung der Übergangsphase sei „immer ausgestreckt“, sagte die SPD-Abgeordnete Katarina Barley dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Es liege an Johnson, diese Hand „jetzt zu ergreifen“.

Aus Diplomatenkreisen hieß es allerdings, diese Möglichkeit sei ausgeschlossen. Die EU und Großbritannien hatten im Austrittsvertrag die Möglichkeit einer Verlängerung der Übergangsphase vorgesehen. Aber London hatte dies im Sommer endgültig abgelehnt. „Wenn man das jetzt machen will, bräuchte es dafür eine neue rechtliche Grundlage, einen neuen völkerrechtlichen Vertrag“, sagte ein EU-Diplomat.

Alternativ droht ein „No-Deal-Szenario“, bei dem ab dem 1. Januar Zölle und andere Handelsbarrieren an den Grenzen zum Vereinigten Königreich Realität würden. Gekappte Reiseverbindungen zwischen Großbritannien und dem Rest Europas wegen der Furcht vor der Ausbreitung einer mutierten Variante des Coronavirus, die bislang vor allem in Südengland festgestellt wurde, liefern dafür seit Sonntag einen Vorgeschmack.

Nach Angaben aus EU-Kreisen kam bei dem Gespräch Johnsons mit von der Leyen auch das Corona-bedinge Reisechaos zur Sprache. Die Kommission sprach sich am Dienstag gegen Grenzschließungen zu Großbritannien aus, nachdem viele Länder die Verkehrsverbindungen mit dem Vereinigten Königreich stark eingeschränkt oder ganz gekappt hatten.

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