Nach zehn Monaten mühsamer Verhandlungen haben sich die EU und Großbritannien am 24. Dezember auf ein Handelsabkommen nach dem Brexit geeinigt. Der fast 1300 Seiten starke Pakt betrifft nicht nur den Warenverkehr, sondern Bereiche wie Staatssubventionen, die Polizeizusammenarbeit oder soziale Sicherung. Die wesentlichen Elemente:
Keine Zölle
Über das beispiellose Freihandelsabkommen werden auf Waren keinerlei Zölle bei der Einfuhr erhoben. Auch Importquoten gibt es nicht. Dennoch wird es ab dem 1. Januar Kontrollen und neue Ausfuhrformalitäten an den Grenzen geben, um Produkt- oder Umweltstandards zu überprüfen und Schmuggel zu verhindern. Vereinfachte Verfahren wurden jedoch für Autos, Medikamente, Chemikalien, Bio-Produkte und Wein vereinbart.
Fairer Wettbewerb
Für den Zugang zu ihrem Markt mit 450 Millionen Verbrauchern forderte die EU von London, dass ihre Standards nicht unterlaufen werden, was zu unfairem Wettbewerb führen würde. Bisher geltende Standards werden nun de facto als gültig „eingefroren“. Die EU musste aber ihre Forderung aufgeben, dass Großbritannien sich auch in Zukunft fortlaufend an von ihr geänderte Standards anpasst.
Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern
Obgleich die wirtschaftliche Bedeutung eher gering ist, war die Fischereifrage EU-Küstenstaaten wie Frankreich, Belgien und Dänemark besonders wichtig. Beide Seiten einigten sich auf eine fünfeinhalbjährige Übergangsphase. In dieser Zeit werden die Fangrechte für EU-Fischer um 25 Prozent gekürzt. Ab Juni 2026 wird dann jährlich über die Fangquoten verhandelt.
Finanzdienstleistungen und Berufsqualifikationen
Großbritannien wollte für seine wichtige Finanzbranche weitgehenden Zugang zum EU-Markt. Dieser geht nun vorerst nicht über Abmachungen in normalen Handelsabkommen hinaus. Wesentliche Fragen sollen erst bis März geklärt werden. Zudem fällt die bisher weitgehend automatische Anerkennung von Qualifikationen für die Ausübung von Berufen weg. Sie muss jetzt von Fall zu Fall beantragt werden.
Reisen
Bürger beider Seiten können innerhalb eines Halbjahrs bis zu 90 Tage ohne Visum einreisen. Der Krankenversicherungsschutz bleibt dabei gültig.
Luftfahrt
Fluggesellschaften beider Seiten dürfen weiter Ziele im jeweils anderen Gebiet anfliegen. Für eine britische Airline ist es aber nicht mehr möglich, Passagiere zwischen zwei Orten in der EU zu transportieren – dasselbe gilt für EU-Fluglinien in Großbritannien.
Lieferverkehr
Speditionen können mit ihren Lastwagen Waren in das andere Gebiet liefern. Sie können zudem zwei weitere Punkte anfahren, um etwa neue Fracht aufzunehmen, bevor sie in ihr Heimatgebiet zurückkehren.
Energie und Klima
Beim Energiehandel und der Verbindung ihrer Stromnetze bleiben die EU und Großbritannien eng beieinander. Auch beim Ausbau von Offshore-Windparks in der Nordsee soll zusammengearbeitet werden. Zudem bekräftigt das Abkommen Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen.
Soziale Sicherungssysteme
Das Abkommen gewährleistet bestimmte Sozialleistungen für EU- und britische Bürger, die nach dem 1. Januar 2021 in das andere Gebiet umziehen oder dort eine Arbeit aufnehmen. Eingeschlossen sind während des Aufenthalts erworbene Rentenansprüche. Nicht abgedeckt sind aber Familienleistungen wie Kindergeld. Hier hängt es von der nationalen Gesetzgebung ab.
Sicherheit
Großbritannien verliert in der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung den „Echtzeit“-Zugriff auf EU-Daten von Verdächtigen, insbesondere über das Schengener Informationssystem. Beide Seiten vereinbarten aber neue Mechanismen zum Austausch von Daten wie Fingerabdrücken. Britische Ermittler arbeiten zudem weiter eng mit der EU-Polizeibehörde Europol zusammen.
Weitere Teilnahme an EU-Programmen
Großbritannien nimmt weiter an einigen EU-Programmen teil, darunter das Forschungsprogramm Horizon Europe. Dafür muss sich London weiter an der Finanzierung beteiligen. Aus Kostengründen ausgestiegen sind die Briten aus dem Studentenaustauschprogramm Erasmus+.
Kontrolle des Abkommens
Vereinbart wurde ein Mechanismus zur Lösung von Konflikten. Zentrales Element ist ein „gemeinsamer Partnerschaftsrat“. Gibt es dort keine Einigung, entscheidet ein Schiedsgremium. Folgt eine Seite dem Schiedsspruch nicht, kann die andere Strafzölle oder Einfuhrquoten verhängen. Diese können auch andere Bereiche treffen als das eigentliche Streitthema. Anders als von der EU verlangt, spielt der Europäische Gerichtshof keine Rolle.