De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi ruft zu Widerstand auf – Weltweite Empörung über Putsch

Aung San Suu Kyi - Bild: Claude TRUONG-NGOC, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Aung San Suu Kyi - Bild: Claude TRUONG-NGOC, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Nach einem Zerwürfnis zwischen Zivilregierung und Militär hat die Armee in Myanmar in einem Staatsstreich die Macht an sich gerissen und De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi festgenommen. Die Streitkräfte erklärten am Montag, sie hätten die Kontrolle über das Land übernommen, und riefen einen einjährigen Notstand aus. Zuvor waren die Freiheitsikone Suu Kyi und Präsident Win Myint vom Militär festgenommen worden, wie die Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) mitteilte. Regierungen weltweit verurteilten den Staatsstreich.

Suu Kyis NLD hatte bei der Parlamentswahl im November einen Erdrutschsieg errungen und damit dem demokratischen Wandel in dem südostasiatischen Land weiteren Auftrieb gegeben. Seitdem nahmen jedoch die Spannungen zwischen der von Suu Kyi angeführten Zivilregierung und der Armee, die um ihren Einfluss fürchtete, stark zu. Die Armeeführung prangerte angeblichen massiven Wahlbetrug an. 

Nach dem Putsch verkündete sie auf Facebook für die Zeit nach dem einjährigen Notstand Neuwahlen. Am frühen Montagmorgen wurden Suu Kyi und Win Myint vom Militär in der Hauptstadt Naypyidaw in Gewahrsam genommen, wie NLD-Sprecher Myo Nyunt der Nachrichtenagentur AFP sagte. Nach Informationen aus Parteikreisen wurden zudem im Bundesstaat Kayin mehrere Mitglieder der dortigen Regionalregierung festgenommen.

Suu Kyi richtete sich mit einem Aufruf zum Widerstand an die Bevölkerung. Sie forderte ihre Landsleute auf, den Militärputsch „nicht zu akzeptieren“, wie aus einem Brief hervorgeht, den die NLD in Online-Netzwerken verbreitete. Angesichts des sich anbahnenden Militärputsches habe Suu Kyi „diese Botschaft für das Volk hinterlassen“. 

Spekulationen über einen Putsch hatten in den vergangenen Tagen zugenommen, nachdem Armeechef Min Aung Hlaing erklärt hatte, dass die Verfassung des Landes unter bestimmten Bedingungen „aufgehoben“ werden könne. Er übernahm im Zuge des Staatsstreichs die Leitung von „Legislative, Regierung und Gerichtsbarkeit“.

In der Wirtschaftsmetropole Rangun übernahm das Militär die Kontrolle über das Rathaus, wie ein AFP-Reporter berichtete. Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die dort zur Arbeit eintrafen, wurden von Soldaten fortgeschickt. „Ich habe viele Übergangsphasen in diesem Land gesehen und mich auf eine bessere Zukunft gefreut“, sagte ein 64-jähriger Mann im Stadtteil Hlaing. Aus Angst vor Repressionen wollte er anyonym bleiben.

Die Telekommunikationsverbindungen in Myanmar waren am Montag stark gestört. Mehrere Mobilfunknetze kamen zum Erliegen. Alle Banken des Landes wurden geschlossen.

Der Staatsstreich löste weltweit Empörung aus. Unter anderem Deutschland, die EU und die USA verurteilten die Machtübernahme durch das Militär. Sie forderten die Freilassung Suu Kyis und anderer Politiker. 

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) forderte im Kurzbotschaftendienst Twitter, „die verfassungsmäßige Ordnung wieder herzustellen“. Die Vereinigten Staaten kündigten an, gegen die Verantwortlichen vorzugehen, sollten die Schritte nicht rückgängig gemacht werden.

Am Montag hätte das neugewählte Parlament erstmals zusammentreten sollen. Es war erwartet worden, dass die NLD das Regierungsmandat von Suu Kyi um weitere fünf Jahre verlängern würde.

Die Parlamentswahl im November war erst die zweite demokratische Wahl in Myanmar seit dem Ende der Militärdiktatur vor mehr als zehn Jahren. Die Streitkräfte spielen in Politik und Wirtschaft des südostasiatischen Landes seit der Unabhängigkeit im Jahr 1948 eine starke Rolle. So ist laut Verfassung ein Viertel aller Abgeordnetenmandate der Armee vorbehalten. Seit der Unabhängigkeit regierte die Armee das Land fast fünf Jahrzehnte lang. Militärputsche gab es bereits in den Jahren 1962 und 1988. 

Suu Kyi stand während der Militärherrschaft insgesamt 15 Jahre lang unter Hausarrest. Wegen ihrer Heirat mit einem britischen Staatsbürger war ihr laut der von der Militärjunta formulierten Verfassung trotz ihres Wahlsiegs 2015 der Weg zur Präsidentschaft versperrt. Als „Staatsberaterin“ übernahm sie dennoch de facto die Führungsrolle. Mit Win Myint setzte sie einen ihrer Vertrauten als Präsidenten ein.

Die Politikerin wurde früher im Westen als Kämpferin für die Demokratie verehrt und erhielt 1991 den Friedensnobelpreis. Ihr Ruf im Ausland hat aber in den vergangenen Jahren wegen der Verfolgung der muslimischen Minderheit der Rohingya stark gelitten. In Myanmar sehen viele in der früheren Demokratie-Ikone aber weiterhin eine Heldin.

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