Tausende Sturmgewehre für Mexiko

Sturmgewehr
Sturmgewehr

Es geht um mehr als 4200 Sturmgewehre, um Magazine und Maschinenpistolen im Gesamtwert von mehr als vier Millionen Euro: Im Februar 2019 verhängte das Landgericht Stuttgart wegen illegaler Waffenexporte nach Mexiko eine Geldstrafe gegen das Rüstungsunternehmen Heckler & Koch. Zwei frühere Angestellte wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt. Am Donnerstag rollt der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe den Fall erneut auf – denn sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Firma und die früheren Angestellte legten Revision ein. (Az. 3 StR 474/19)

In dem Verfahren geht es nicht um Waffenexporte an sich, sondern um die Frage, ob die Genehmigung dafür erschlichen wurde. Waffenlieferungen müssen von der Bundesregierung genehmigt werden. Heckler & Koch holte diese Genehmigung für Exporte in den Jahren 2005 bis 2007 auch ein – legte nach Auffassung des Landgerichts aber unzuverlässige sogenannte Endverbleibserklärungen vor. Darin steht, wo die Waffen schlussendlich eingesetzt werden sollen.

In den Erklärungen wurden mexikanische Provinzen genannt, die als friedlich galten. In Wirklichkeit landeten die Waffen aber auch in Unruheprovinzen, wohin sie nicht hätten geliefert werden dürfen. Die Ausfuhrgenehmigung war darum nach Auffassung des Gerichts „aufgrund bewusst unrichtiger Angaben erschlichen worden“.

Ein früherer Vertriebsleiter wurde wegen bandenmäßiger Ausfuhr von Waffen aufgrund erschlichener Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz zu einer Bewährungsstrafe von 22 Monaten und 80.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Eine frühere Sachbearbeiterin wurde der Beihilfe für schuldig befunden. Sie bekam eine Bewährungsstrafe von 17 Monaten und musste 250 Stunden Sozialdienst leisten. Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz hätten die beiden dagegen nicht begangen, urteilte das Gericht.

Beide waren allerdings nicht an führender Stelle beteiligt. Den vermeintlichen Hauptakteuren konnte in Stuttgart nicht der Prozess gemacht werden – der frühere Leiter des Vertriebsteams für Mexiko-Geschäfte ist bereits tot, ein früherer Verkaufsrepräsentant hielt sich in Mexiko auf und erschien nicht zum Prozess.

Drei weitere Angeklagte in höheren Positionen, nämlich zwei ehemalige Geschäftsführer und Ausfuhrverantwortliche sowie ein stellvertretender Vertriebsleiter, wurden vor dem Landgericht freigesprochen. Das Unternehmen Heckler & Koch musste die Verkaufserlöse beinahe komplett abgeben und 3,7 Millionen Euro zahlen.

Gegen dieses Urteil legten alle Beteiligten Revision ein. Die Staatsanwaltschaft will, dass die Angeklagten auch nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz verurteilt werden. Die Angeklagten selbst wenden sich gegen ihre Verurteilung, die Firma gegen die Einziehung der 3,7 Millionen Euro.

Ins Rollen gebracht hatte das Verfahren der Friedensaktivist Jürgen Grässlin, der 2010 Strafanzeige gegen Heckler & Koch erstattete. Vor der Verhandlung am BGH äußerten sich nun verschiedene Menschenrechtsorganisationen in einer gemeinsamen Presseerklärung. Unabhängig vom Ausgang zeige das Verfahren schon jetzt, dass die bisherige Handhabung von Endverbleibserklärungen kein effektives Mittel der Rüstungsexportkontrolle sei, erklärte Holger Rothbauer, Anwalt der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“. Er forderte ein Rüstungsexportkontrollgesetz.

Der BGH habe die Chance, die Verantwortung der Führungsebene erneut zu beleuchten, erklärte Christian Schliemann-Radbruch, Senior Legal Advisor beim European Center for Constitutional and Human Rights. „Insbesondere die Führungsebene mit klarer Zuständigkeit für die Ausfuhr und steten Kontakten in die betroffenen Ministerien“ dürfe nicht einfach aus der Verantwortung entlassen werden.

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