Im Corona-Jahr 2020 haben so viele Anleger in Deutschland in Aktien investiert wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. 12,4 Millionen Menschen besaßen Aktien oder Aktienfonds, 2,7 Millionen mehr als im Vorjahr, wie das Deutsche Aktieninstitut (DAI) am Donnerstag mitteilte. Demnach waren fast 18 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren Aktionäre. DAI-Geschäftsführerin Christine Bortenlänger bezeichnete die Entwicklung als „sensationell“.
Laut Aktieninstitut gab es zuletzt Anfang des Jahrtausends mehr Aktiensparerinnen und -sparer. 2001 hatte das DAI 12,9 Millionen Aktionäre gezählt – kurz bevor der sogenannte Neue Markt an der Deutschen Börse mit dem Platzen der Dotcom-Blase zusammenbrach und vielen die Lust auf Aktien verging. Bis 2014 war die Zahl der Anleger an den Aktienmärkten hauptsächlich rückläufig.
„Erstmals seit Jahren entwickelt sich wieder ein breiteres Interesse für die Aktienanlage“, erklärte das DAI und führte das insbesondere auf die Corona-Pandemie zurück: „Geplatzte Urlaube, geschlossene Restaurants und weniger Einkaufsbummel haben dazu geführt, dass den Menschen mehr Zeit und Geld zur Verfügung stand.“ Dieses Geld und die niedrigen Börsenkurse im Frühjahr 2020 hätten offenbar viele genutzt, um sich mit ihren Finanzen zu beschäftigen und einzusteigen.
Außerdem bezog das DAI 2020 erstmals auch Anleger anderer Nationalitäten mit ein. Doch auch ohne diese 500.000 Menschen sei der Anstieg der höchste seit 20 Jahren.
Den Angaben zufolge blieben aktiv gesteuerte Fonds sowie passive ETF-Fonds die beliebtesten Aktienprodukte: Insgesamt legten 9,3 Millionen Menschen ihr Geld in aktienbezogene Fonds an. 5,3 Millionen investierten direkt in einzelne Aktien von Unternehmen; rund 1,6 Millionen dieser Anleger waren Belegschaftsaktionäre.
Insbesondere Jüngere entdeckten im vergangenen Jahr die Börse für sich: Über eine Million neue Aktienbesitzer im vergangenen Jahr waren jünger als 40 Jahre – ein Plus von 50 Prozent in dieser Altersgruppe.
„Die Aktienanlage hat über das Smartphone die Hosentasche erreicht“, erklärte Bortenlänger und verwies auf Trading-Apps, die jedem Aktienkäufe und das Einrichten von Fondssparplänen mit wenigen Klicks ermöglichen. „Influencer und Internetforen haben das Thema Geldanlage für sich entdeckt und verstärken den Trend mit ihrer Kommunikation auf Augenhöhe“, erklärte das DAI. „Das spricht vor allem die junge Generation an, die sich dort informiert und über Diskussionen mit Gleichgesinnten lernt.“
Bortenlänger zeigte sich erfreut, dass viele Börsenneulinge in Fonds ansparten und demzufolge „langfristig dabeibleiben“ wollten. Dafür forderte sie gleichzeitig bessere politische Rahmenbedingungen: „Mitarbeiteraktien sollten noch mehr gefördert werden, Aktienerträge nach einer Haltefrist von fünf oder zehn Jahren steuerfrei sein und Aktien müssen ein fester Baustein in der Altersvorsorge werden.“ Gerade Geringverdienern würden politische Impulse aus Sicht des Aktieninstituts helfen – sie seien traditionell weniger am Aktienmarkt präsent.
Auch zu wenig Frauen legten trotz des gewachsenen Interesses Geld an der Börse an, erklärte das Institut. 4,5 Millionen Frauen standen laut DAI 2020 am deutschen Aktienmarkt 7,9 Millionen Männern gegenüber. „Dabei sollten gerade Frauen sich mehr am Aktienmarkt engagieren, da sie im Ruhestand im Durchschnitt weniger gesetzliche Rente als Männer erhalten.“