Die scheidende Linken-Vorsitzende Katja Kipping hat ihre Partei zu Offenheit gegenüber einer Regierungsbeteiligung aufgerufen. „Die Zeiten verlangen von uns mehr, als einfach an der Seitenlinie zu stehen und das schlechte Spiel der anderen zu kritisieren“, sagte Kipping am Freitag auf einem digitalen Parteitag in ihrer Abschiedsrede als Linken-Chefin. Die Linke müsse jetzt „gemeinsam ausstrahlen: Mit uns ist zu rechnen“, sagte sie.
Die Bedingungen für eine Mitte-Links-Regierung seien zwar „wahrlich nicht optimal, aber können wir es uns leisten, auf optimale Bedingungen zu warten?“, fragte Kipping in ihrer Rede. „Gerade steht viel auf dem Spiel“, betonte sie mit Blick auf die Corona-Krise. Mit der CDU in der Regierung würden die Kosten der Krise auf die Ärmsten, die Beschäftigten und die Kommunen abgewälzt. „Das müssen wir verhindern“, sagte sie zu den rund 600 zugeschalteten Delegierten.
Zum Thema Klimapolitik, das die Linke neben der sozialen Gerechtigkeit ins Zentrum ihres Wahlkampfs stellen will, sagte Kipping: „Die Linke wird dafür sorgen, dass jeder Klimaschutz sozial geht.“
Sie forderte ihre Partei auf, sich hinter die beiden künftigen Vorsitzenden Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow zu stellen. „Statt abzuwarten oder rumzumäkeln, sollten wir uns hinter ihnen versammeln und einen Kurs der politischen Vernunft stärken.“ Kipping verwies darauf, dass die beiden nicht an den parteiinternen Konflikten beteiligt gewesen seien. Sie appellierte an die Partei, einen Strich unter die Zerwürfnisse der Vergangenheit zu ziehen.
Kipping war ebenso wie ihr Ko-Vorsitzender Bernd Riexinger Mitte 2012 erstmals an die Spitze der Partei gewählt worden. Die Regularien der Linken sehen eine maximal achtjährige Amtszeit vor, wegen der Corona-Krise war der Parteitag mehrfach verschoben worden.
Kipping und Riexinger hatten die Führung der Partei 2012 in einer ihrer schwersten Krisen übernommen, die Linke war lange von Auseinandersetzungen der Flügel geprägt gewesen. Auch in der Amtszeit der jetzt scheidenden Parteispitze hatte es Konflikte gegeben – vor allem zwischen Kipping und der früheren Fraktionschefin Sahra Wagenknecht.