EU prüft deutsche Milliardenzahlungen an Energiekonzerne für Braunkohleausstieg

Kohleabbau
Kohleabbau

Wegen möglicher Wettbewerbsverzerrungen prüfen die EU-Wettbewerbshüter die Milliardenentschädigungen für den Braunkohleausstieg in Deutschland. Wie die EU-Kommission am Dienstag mitteilte, leitete sie eine eingehende beihilferechtliche Untersuchung zu den geplanten Zahlungen von 4,35 Milliarden Euro an die Kraftwerksbetreiber RWE und Leag ein. Es sei unsicher, ob die Gelder „auf das erforderliche Mindestmaß“ beschränkt sind. Der Energiekonzern RWE betonte unterdessen, dieser Vorgang sei üblich.

Der schrittweise Braunkohle-Ausstieg in Deutschland trage zum EU-Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft bei, erklärte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Zum Schutz von Wettbewerbern müsse die Kommission indes sicherstellen, „dass der Ausgleich, der den Anlagenbetreibern für den vorzeitigen Ausstieg gewährt wird, auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt wird“. Dies könne nach bisher vorliegenden Informationen nicht „mit Sicherheit“ bestätigt werden. „Daher leiten wir dieses Prüfverfahren ein“, betonte Vestager.

Eine RWE-Sprecherin sagte AFP, das Vorgehen der Kommission sei „vollkommen normal“ und der notwendige nächste Schritt bei den öffentlich-rechtlichen Verträgen zwischen der Bundesregierung und den Kraftwerksbetreibern. „Es muss eine beihilferechtliche Freigabe erfolgen, und die erfolgt nach Prüfung“ – unabhängig von etwaigen Bedenken der Kommission, betonte die Sprecherin.

Auch das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, der Verfahrensschritt sei zumindest „bei komplexen Materien“ üblich. Die Kommission sei nach EU-Recht sogar dazu verpflichtet, vom vorläufigen in ein formelles Prüfverfahren überzugehen, „wenn eine Prüfung komplex ist und damit länger dauert“.

Aus Sicht der Umweltorganisation Client Earth bestätigt das förmliche EU-Prüfverfahren dagegen, „dass die Bundesregierung bei der Vereinbarung der Braunkohleausstiegsentschädigung nicht sorgfältig gearbeitet hat“. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer kritisierte „Milliardengeschenke aus Steuergeldern an RWE und Leag“ für längst abgeschriebene und am Markt wertlose Kohlekraftwerke. Insbesondere für die geplanten Staatszahlungen an Leag gebe es keine Rechtfertigung, erklärte Krischer. „Erst Recht in der Höhe.“

Deutschland hatte nach langem Ringen im vergangenen Sommer den Weg für den schrittweisen Ausstieg aus der Kohle bis spätestes 2038 freigemacht. Bis zuletzt weiterlaufen sollen vor allem leistungsstarke Braunkohlekraftwerke; für vorzeitige Stilllegungen anderer Braunkohleanlagen bis Ende 2029 sollen die Kraftwerksbetreiber RWE und Leag mit insgesamt 4,35 Milliarden Euro vom Bund entschädigt werden. Davon sind laut EU-Kommission 2,6 Milliarden Euro für RWE-Kraftwerke im Rheinland und 1,75 Milliarden Euro für Leag-Anlagen in der Lausitz vorgesehen.

Die Kommission hat nach eigenen Angaben deshalb „Zweifel“, ob die Entschädigungen mit den EU-Beihilferegelungen vereinbar und angemessen seien. Dies betrifft der Behörde zufolge insbesondere die Ermittlung des Ausgleichs für entgangene Gewinne sowie der Tagebaufolgekosten und die dafür eingereichten Berechnungsgrundlagen. Im Rahmen der ergebnisoffenen Prüfung will die Kommission nach eigenen Angaben etwaige Stellungnahmen der Betroffenen anhören und klarstellen, ob ihre „wettbewerbsrechtlichen Bedenken gerechtfertigt sind“.

Im November hatte die Kommission die Stilllegungszahlungen für deutsche Steinkohlekraftwerke genehmigt. Potenzielle Wettbewerbsverzerrungen durch die Zahlungen blieben demnach „auf das erforderliche Minimum beschränkt“.

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