Schwerbewaffnete Polizisten, patrouillierende Nationalgardisten und eine abgesagte Kongresssitzung: Mit verschärften Sicherheitsmaßnahmen haben die US-Behörden auf mögliche Pläne für einen neuen Angriff auf das Kapitol reagiert. Eine für Donnerstag geplante Sitzung des Repräsentantenhauses wurde abgesagt, zwei wichtige Abstimmungen zu Polizei- und Wahlrechtsreformen wurden auf Mittwochabend vorgezogen. Der Senat kam aber wie geplant zu Beratungen über das billionenschwere Corona-Hilfspaket von Präsident Joe Biden zusammen.
Die Lage bleib am Donnerstag in der Umgebung des stark gesicherten Kapitols ruhig. Hinweise für Proteste gab es bis zum Nachmittag nicht.
Die Sicherheitsbehörden hatten rund zwei Monate nach der Kapitol-Erstürmung vom 6. Januar vor einem möglichen neuen Angriff auf das Kapitol gewarnt. „Wir haben Geheimdiensterkenntnisse erhalten, die mögliche Pläne einer identifizierten Miliz für ein Eindringen in das Kapitol am Donnerstag, den 4. März, zeigen“, erklärte die Kapitol-Polizei. „Wir nehmen diese Geheimdiensterkenntnisse ernst.“
Die US-Bundespolizei FBI und das Heimatschutzministerium hatten zuvor in einem gemeinsamen Hinweis vor möglicher Gewalt gewarnt. Extremistengruppen hätten „Pläne besprochen, am oder um den 4. März die Kontrolle über das US-Kapitol zu übernehmen und demokratische Parlamentarier abzusetzen“.
Warnungen vor neuer Gewalt am 4. März gibt es schon seit Wochen. Anhänger der rechtsextremen Verschwörungsbewegung QAnon glauben, dass der frühere Präsident Donald Trump an diesem Tag wieder an die Macht kommt und für eine zweite Amtszeit vereidigt wird. Bis 1933 legten die US-Präsidenten am 4. März ihren Amtseid ab.
Radikale Trump-Anhänger hatten am 6. Januar das Kapitol gestürmt, als dort Bidens Sieg bei der Präsidentschaftswahl vom 3. November endgültig bestätigt werden sollte. An der Attacke mit fünf Toten waren Mitglieder mehrerer rechtsextremer Gruppierungen wie der Proud Boys, der Oath Keepers, der Three Percenters sowie viele QAnon-Anhänger beteiligt.
Das Kapitol wurde nach dem Angriff und in Vorbereitung auf Bidens Amtseinführung am 20. Januar massiv abgesichert. Der Parlamentskomplex wurde weiträumig mit einem hohen Zaun abgesperrt, tausende Nationalgardisten sind bis heute im Einsatz.
Trotzdem wurde aus Sicherheitsgründen eine für Donnerstag geplante Sitzung des Repräsentantenhauses abgesagt. Die Abgeordneten stimmten stattdessen bereits am Mittwochabend für Reformen des Wahlrechts und bei der Polizei.
Die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, sagte am Donnerstag im Kongressgebäude, es habe angesichts der Warnungen „Sinn ergeben“, die parlamentarischen Aktivitäten zu reduzieren. Zugleich betonte sie, der Zeitplan sei nur um „einige Stunden verschoben worden“. Dies könne nicht als „Ermutigung“ für „Unruhestifter“ gewertet werden.
Die Lage in den USA bleibt auch zwei Monate nach der Kapitol-Erstürmung höchst angespannt. Trump verbreitet nach wie vor die Falschbehauptung, ihm sei eine Wiederwahl durch massiven Wahlbetrug „gestohlen“ worden. Viele Trump-Anhänger sehen Biden nicht als rechtmäßigen Präsidenten an.
Für die Sicherheitsbehörden ist es allerdings schwer einzuschätzen, wie ernst Gewaltandrohungen von Extremisten auf Online-Plattformen und in Chatgruppen zu nehmen sind. Angesichts des Behördenversagens bei dem Angriff am 6. Januar ist die Sorge groß, bei Einschätzungen wieder falsch zu liegen.
Vergangene Woche warnte die amtierende Chefin der Kapitol-Polizei, Yogananda Pittman, bei einer Kongressanhörung davor, die Sicherheitsvorkehrungen zurückzufahren. Extremisten hätten den Wunsch, „das Kapitol in die Luft zu sprengen und so viele Parlamentarier wie möglich zu töten“. Als möglicher Anlass für einen Angriff wurde Bidens erste Rede zur Lage der Nation genannt, für die noch kein Termin feststeht.