Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat die bislang schleppend aufgeklärten Missbrauchsfälle im Kölner Erzbistum scharf verurteilt. Diese Vergehen von Geistlichen seien „schlimmster Verrat am eigenen Glauben“ und träfen „ins Herz der katholischen Kirche“, sagte Thierse, der Mitglied im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken ist, am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“.
Thierse zeigte sich „tief betroffen über das Leid, das katholische Geistliche da angerichtet haben“. Die Kirche habe „die verdammte Pflicht, so radikal aufzuklären wie nur möglich“ – und das „mit allen Konsequenzen für die Organisation, für die Struktur der Kirche“. Zwar sei „massenhafte sexualisierte Gewalt“ in der gesamten Gesellschaft ausgeprägt und die Kirche als Institution sei nur ein Teil dieses Problems. Doch er habe sich immer gewünscht, dass seine Kirche hier „vorangeht“, sagte Thierse weiter.
„Die Kirche muss angesichts dieser Erschütterung anders werden“, forderte Thierse zu der deutlichen Kritik am Erzbistum Köln wegen seiner schleppenden Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs. Konkret forderte er eine weiblichere, weniger hierarchische und transparentere Kirche. „Das wird ein mühsamer Prozess bei einer 2000 Jahre alten Institution.“
Das Erzbistum Köln veröffentlicht am Vormittag ein unabhängiges Gutachten zu dem Missbrauchsskandal. Der im vergangenen Herbst vom Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki beauftragte Strafrechtler Björn Gercke soll auf Grundlage von Akten und Anhörungen Verantwortlicher etwaige Verfehlungen im größten deutschen Bistum aufklären. Dieses hielt das Gutachten lange zurück, in dem Gercke auch erstmals die Namen von Verantwortlichen benennen soll.
Der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, kritisierte den Umgang Woelkis mit dem Skandal. Das Vorgehen erzeuge „große Enttäuschung und Irritation bei Betroffenen und der Öffentlichkeit“, sagte er der „Bild“-Zeitung vom Donnerstag. „Aber es ist auch misslich für die anderen Bistümer in Deutschland.“ Zu den „dunklen Kapiteln der Aufarbeitung“ in der katholischen Kirche sagte Ackermann: „Wir müssen für die Vergangenheit davon ausgehen, dass Bischöfe Täter der Strafverfolgung entzogen haben.“