Nie zuvor haben sich mehr Beschäftigte in Deutschland ihrem Unternehmen eng verbunden gefühlt wie im vergangenen Jahr – gleichzeitig ist auch die Wechselbereitschaft auf ein Rekordhoch gestiegen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage unter 1000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Ende vergangenen Jahres hervor, die das Beratungsunternehmen Gallup am Donnerstag veröffentlichte. Demnach nahm außerdem die arbeitsbedingte Belastung der Befragten deutlich zu.
„Einen plötzlichen Wandel in der Unternehmenskultur können wir nicht beobachten“, erklärte Gallup-Studienleiter Marco Nink – vielmehr polarisiere die Corona-Krise die Arbeitnehmerschaft. Unternehmen, „die sich in den vergangenen Monaten um ihre Beschäftigten als Mensch und nicht nur als reine Arbeitskraft gekümmert haben“, profitieren: 17 Prozent der Befragten gaben eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber an. Der Anteil war laut Gallup so hoch wie nie und lag zwei Prozentpunkte über dem Vorjahreswert.
68 Prozent der Beschäftigten sind demnach wenig an das eigene Unternehmen gebunden und machen „Dienst nach Vorschrift“. Bei schlechtem Führungsverhalten allerdings hätten Mitarbeiter „innerlich gekündigt, sind bereit für einen Jobwechsel oder schauen sich bereits nach einem neuen Arbeitgeber um“, resümierte Nink. Der Umfrage zufolge wollen 61 Prozent der Beschäftigten in einem Jahr noch bei ihrer derzeitigen Firma arbeiten – nur die Hälfte geht davon aus, auch in drei Jahren noch dort zu sein.
Die Stellenbörse Indeed hatte Ende Februar mangelnde Kommunikation und „fehlende Schutzmaßnahmen“ wie Homeoffice in der Pandemie als Gründe für steigende Unzufriedenheit genannt. Das Portal hatte von Ende Oktober bis Mitte November 2020 insgesamt über 12.000 seiner Nutzer befragt. Gut die Hälfte der Berufstätigen berichtete demnach von einer gestiegenen Bereitschaft, den Job zu wechseln. Die „Arbeitgeberbindung“ ging bei 29 Prozent der Fachkräfte zurück – bei Akademikern wurden sogar 35 Prozent unzufriedener.
Zwar seien über drei Viertel der Befragten mit ihrer Geschäftsführung in der Pandemie zufrieden, erklärte Gallup am Donnerstag weiter. Doch „besonders wechselwillig sind die Beschäftigten, die in den vergangenen Monaten in Kurzarbeit waren oder es noch sind“, erklärten die Berater. Arbeitgeber müssten „gezielt gegensteuern“ und wechselwillige Beschäftigte „emotional zurückgewinnen“, mahnte Nink. „Sonst verlieren sie nach dem Lockdown viele Beschäftigte.“
Gallup verwies außerdem auf eine deutlich gestiegene Burnout-Gefahr: 35 Prozent gaben in der Umfrage an, dass sie sich in den vergangenen 30 Tagen aufgrund von Arbeitsstress ausgebrannt fühlten. 2018 und 2019 hatten noch jeweils 26 Prozent von einer so hohen Belastung berichtet.