Steinmeier fordert „mehr Pragmatismus“ in Debatten um beschleunigte Impfkampagne

Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland - Frank-Walter Steinmeier - Bild: Bundespräsidialamt

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zu „mehr Pragmatismus“ in den Debatten um eine Beschleunigung der Corona-Impfkampagne aufgerufen. Das Land verbrauche „viel Kraft auf der Suche nach dem Schuldigen des Tages“, sagte Steinmeier am Freitag bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an die Biontech-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin in Berlin. Diese Kraft brauche die Gesellschaft derzeit dringender „an anderer Stelle“.

„Denn jetzt hilft doch nur eines: mehr und schneller impfen – mit allen Mitteln, die wir haben“, betonte der Bundespräsident. Dies müsse „mit Mut, mit Klugheit, mit einem guten Stück mehr Pragmatismus“ geschehen. Natürlich müssten Fehler benannt und beseitigt werden. Zugleich müsse das Land aber Zuversicht behalten. „Gerade jetzt im Angesicht der dritten Welle ist nicht die Zeit für Resignation und Selbstmitleid.“

Steinmeier würdigte Türeci und Sahin als visionäre Unternehmer und Wissenschaftler, denen es gelungen sei, im richtigen Moment „das Entscheidende“ zu tun. „Der Impfstoff, den Sie entwickelt haben, ist ein Dienst an der Menschheit – deshalb sind wir heute hier.“ Dieser rette nicht nur Leben und Existenzen, sondern das gesellschaftliche wie auch kulturelle Überleben der Menschheit.

Die Gründer des Biotechfirma Biontech hätten es als ihre Pflicht angesehen, ihr Wissen in der Pandemie zu nutzen und entsprechend zu handeln. Das hätten sie mit Leidenschaft, wissenschaftlichem Ehrgeiz und Hingabe getan, fügte Steinmeier an. 

Das von Türeci und Sahin gegründete Mainzer Startup Biontech ist auf die sogenannte Boten-RNA-Technologie spezialisiert, mit der ursprünglich vor allem Hoffnungen auf bessere Krebstherapien verbunden waren. In der Coronakrise erwies sich der Ansatz auch bei der Impfstoffentwicklung als erfolgreich. Das von Biontech und seinem US-Partner Pfizer hergestellte Vakzin war weltweit das erste, das zugelassen wurde. Es wird heute massenhaft eingesetzt.

Sahin verwies darauf, dass in der der Pandemie „zwei Drittel des Wegs“ bewältigt wurden. „Die nächsten sechs Monate werden uns noch einiges abverlangen“, fügte er hinzu. Die dritte Welle lasse sich aufgrund der neuen Variante schwieriger kontrollieren. Es werde alles getan, dass jeder, der einen Impfstoff erhalten wolle, ihn bis zum Ende des Sommers bekomme. Mit Blick auf die Impfstoffdebatten betonte Sahin, es sei vor allem wichtig, „dass keine Impfstoffdosis verschwendet wird“.

Steinmeier warnte vor Nationalismus bei der Bekämpfung der Pandemie. Auch beim Erfolg von Türeci und Sahin habe es Versuche gegeben, diesen für ein einzelnes Land zu reklamieren. „Ein Impfstoff aber hat keine Nationalität – er ist weder deutsch noch türkisch, er ist auch nicht amerikanisch“, sagte er.

Sahin betonte, die Impfstoffentwicklung sei nicht nur ein Ergebnis jahrelanger Forschung, sondern auch eines gemeinschaftlichen Einsatzes. In dem Forscherteam hätten Kollegen aus 60 verschiedenen Ländern mitgearbeitet.

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