Israels lange Suche nach politischer Stabilität

Israel - Bild: ametov41 via Twenty20
Israel - Bild: ametov41 via Twenty20

Wenn die Wähler in Israel am Dienstag zum vierten Mal innerhalb von zwei Jahren wählen, dürfte eines dabei nicht herauskommen: stabile politische Verhältnisse. Jüngste Umfragen sagen voraus, dass erneut kein politisches Lager in dem Land am östlichen Mittelmeer mit einer klaren Mehrheit von 61 Sitzen in der Knesset, dem israelischen Parlament, rechnen kann. Der bereits seit zwölf Jahren amtierende Ministerpräsident Benjamin Netanjahu könnte die Wahl trotz der laufenden Korruptionsermittlungen gegen sich erneut überstehen.

Netanjahu wirbt mit Impferfolg

Der dienstälteste Regierungschef in der israelischen Geschichte hofft aufgrund des Impferfolgs sowie der vor kurzem erfolgten Normalisierung der Beziehungen Israels zu vier arabischen Staaten auf das Wohlwollen der Wähler. 

Knapp die Hälfte von Israels etwa neun Millionen Einwohnern sind bereits zwei Mal mit dem Vakzin der Unternehmen Biontech und Pfizer geimpft. Damit liegt das Land im weltweiten Vergleich mit Abstand vorne. 

Israel hatte große Mengen des Impfstoffes erhalten, weil sein stark digitalisiertes Gesundheitssystem eine rasche Bereitstellung kostbarer Daten zur Wirksamkeit der Impfung ermöglicht. Netanjahu brüstet sich damit, Israel zum Test-Land für die Impfstoffausgabe gemacht zu haben.

„Wissen Sie, wie viele Präsidenten und Regierungschefs bei Pfizer und Moderna anrufen? Die antworten nicht. Aber wenn ich anrufe, gehen sie ans Telefon“, sagte Netanjahu vergangene Woche. „Wer sonst hätte das getan? Bestimmt nicht (Jair) Lapid, (Naftali) Bennett und Gideon (Saar)“, sagte er an die Adresse seiner wichtigsten Herausforderer.

Korruptionsverfahren und Proteste

Der Regierungschef steht aber auch bei vielen Wählern in der Kritik. Parallel zum Wahlkampf musste sich der 71-Jährige als erster amtierender Ministerpräsident Israels wegen Korruption in mehreren Fällen vor Gericht verantworten. Monatelang hatte es im vergangenen Jahr deshalb und wegen seines Umgangs mit der Coronakrise regelmäßig Proteste gegeben. Die Demonstranten warfen ihm unter anderem die Verantwortung für schmerzhafte Lockdowns vor.

Außerdem fehlt Netanjahu in diesem Wahlkampf eine Hilfe, auf die er sich bisher verlassen konnte: Ex-US-Präsident Donald Trump. Während der vergangenen drei Wahlkämpfe hatte sich Netanjahu auf riesigen Plakaten neben Trump abbilden lassen. Dieser hatte von der Verteidigung der israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland bis zum Austritt der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran weitgehend Netanjahus Ansichten geteilt.

Trumps Nachfolger Joe Biden will das Abkommen mit dem Iran wiederbeleben. Das US-Außenministerium hat inzwischen zudem deutlich gemacht, dass es den Bau neuer Siedlungen im Westjordanland nicht unterstützt.

Netanjahus Herausforderer

Nach der zurückliegenden Wahl in Israel im März 2020 einigten sich Netanjahu und sein Herausforderer Benny Gantz unter dem Druck der Corona-Pandemie im Mai auf eine Einheitsregierung. Doch bereits im Dezember zerbrach das fragile Bündnis an der Weigerung Netanjahus, einem Haushalt für 2021 zuzustimmen. 

Die Wähler von Gantz‘ Mitte-Links-Bündnis Blau-Weiß verziehen diesem den Eintritt in eine Regierung mit Netanjahu nicht – schließlich hatten viele von ihnen auch deshalb für Gantz gestimmt, um Netanjahu abzuwählen. Blau-Weiß könnte diesmal den Einzug ins Parlament verpassen. 

Stattdessen gilt Gantz‘ ehemaliger Partner Jair Lapid von der Partei Jesch Atid (Es gibt eine Zukunft) als wichtigster Herausforderer. Der ehemalige Moderator und Journalist verspricht, das gebrochene Versprechen von Blau-Weiß zu erfüllen und Netanjahu abzusetzen. 

Auch aus den eigenen Reihen droht Netanjahu Widerstand. Sein ehemaliger Parteikollege bei der konservativen Regierungspartei Likud, Gideon Saar, tritt mit der Partei Neue Hoffnung bei den Wahlen an und versucht, Netanjahu am rechten Rand Stimmen abzunehmen. 

Doch trotz der Veränderungen seit der Wahl vor gut einem Jahr ist nach Ansicht des Leiters der Denkfabrik Israel Democracy Institute, Johanan Plesner, eines gleich geblieben. Die wichtigste Frage für viele Wähler sei auch in der kommenden Woche: „Bist du für oder gegen Netanjahu?“

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