Türkei nimmt zehn pensionierte Admirale nach Kritik an Bauprojekt von Erdogan fest

Flagge der Türkei
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Nach Kritik an einem Bauprojekt von Präsident Recep Tayyip Erdogan geht die türkische Justiz mit Macht gegen die Urheber in den Reihen des Militärs vor. Die Behörden nahmen am Montag zehn pensionierte Admirale nach der Veröffentlichung eines offenen Briefes fest. Gegen sie seien Haftbefehle erlassen worden, teilte die Generalstaatsanwaltschaft in Ankara mit. 

Laut einem Bericht des Senders NTV wird ihnen nun der Versuch vorgeworfen, „mit Gewalt und Zwang die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen“. Vier weitere Verdächtige wurden nach Justizangaben aufgrund ihres Alters nicht festgenommen, müssen sich jedoch innerhalb der nächsten drei Tage bei der Polizei in Ankara melden.

Zuvor hatten sich insgesamt 104 pensionierte Admiräle in einem offenen Brief kritisch über Erdogans ehrgeizigstes und auch umstrittenstes Infrastrukturprojekt, den „Istanbul-Kanal“, geäußert. Die türkische Regierung plant eine alternative Schifffahrtsstraße zum Bosporus und den Dardanellen, den Meerengen zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer.

Der 45 Kilometer lange „Istanbul-Kanal“ ist nach offiziellen Angaben notwendig, um den Bosporus – eine zentrale Wasserstraße des Welthandels, die vergangenes Jahr mehr als 38.000 Schiffe passierten – zu entlasten. Das Projekt wurde im vergangenen Monat offiziell abgesegnet. 

Kritiker fürchten neben Umweltschäden auch, dass das umgerechnet rund acht Milliarden Euro teure Projekt den Vertrag von Montreux unterwandern könnte. Das internationale Schifffahrtsabkommen von 1936 regelt die Durchfahrt im Bosporus und in den Dardanellen. Es garantiert unter anderem zivilen Schiffen die Passage in Kriegs- und Friedenszeiten. 

Es sei „besorgniserregend“, das internationale Abkommen zur Debatte zu stellen, erklärten die pensionierten Admiräle in ihrem offenen Brief. Der Vertrag von Montreux schütze „die türkischen Interessen am besten“. Sie sprachen sich dafür aus, „von jeglicher Rhetorik oder jeglichem Handeln Abstand zu nehmen, das den Vertrag von Montreux zum Gegenstand einer Kontroverse machen könnte“. 

Das Schreiben war von Regierungsvertretern scharf kritisiert worden. „Seine Gedanken zu äußern ist eine Sache, eine Erklärung vorzubereiten, die einen Putsch heraufbeschwört, ist eine andere“, sagte Parlamentspräsident Mustafa Sentop am Sonntag.

Die Generalstaatsanwaltschaft leitete am Sonntag Ermittlungen wegen des Verdachts der „Absprache zur Begehung eines Verbrechens gegen die staatliche Sicherheits- und Verfassungsordnung“ ein. Damit wird den Admirälen ein ähnliches Vergehen vorgeworfen wie Regierungskritikern, die nach dem gescheiterten Putsch 2016 verhaftet worden waren.

Unter den Verhafteten waren einige der angesehensten Marinekommandanten der Türkei, unter anderen Cem Gürdeniz. Der Konteradmiral gilt als Urheber der umstrittenen Militärdoktrin „Blaue Heimat“, welche die Ausdehnung der türkischen Souveränität über große Gebiete des östlichen Mittelmeers vorsieht. Die Türkei hatte unter anderem ihre Ambitionen bei der Erdgassuche im Mittelmeer, die für Spannungen mit Griechenland sorgten, auf diese Doktrin gestützt.

Widerworte aus den Reihen des Militärs sind in der Türkei heikel. Das Militär hatte sich zwischen 1960 und 1980 drei Mal an die Macht geputscht. Auch an dem gescheiterten Putschversuch 2016 waren Armeevertreter beteiligt. „Unser Kampf gegen diese dunkle Mentalität geht weiter“, sagte der türkische Justizminister Abdülhamit Gül am Montag. 

Im Streit um das neue Mega-Projekt geht es vor allem um die Frage, ob der Vertrag von Montreux auch für die neue Wasserstraße Anwendung finden würde. Parlamentspräsident Sentop hatte vergangenen Monat erklärt, Präsident Erdogan „könnte“ sich aus dem Abkommen zurückziehen. „Er hat die Macht dazu“, sagte er dem Sender HaberTürk. „Aber es gibt einen Unterschied zwischen möglich und wahrscheinlich.“ 

Vergangenen Monat hatte Erdogan bereits den Rückzug aus der Istanbul-Konvention, einem internationalen Abkommen zum Schutz von Frauen vor Gewalt, angeordnet und damit international Kritik hervorgerufen.

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