Truppenabzug aus Afghanistan schürt Sorge um die Zukunft des Landes

Symbolbild: US-Soldat
Symbolbild: US-Soldat

Die Nato-Minister haben beschlossen, gemeinsam mit den USA ab dem 1. Mai mit dem vollständigen Truppenabzug aus Afghanistan zu beginnen. Der Abzug der internationalen Truppen, der im Herbst abgeschlossen sein soll, wirft viele Fragen zur Zukunft des von Gewalt geplagten Landes auf?

Wird der Krieg enden?

Das ist unwahrscheinlich. Da es keinen dauerhaften und stabilen Waffenstillstand zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung gibt, droht tatsächlich eher ein erneute Eskalation. Die Taliban kontrollieren weite Teile des ländlichen Raums und strategisch wichtige Straßen. In den Städten sorgen sie mit fast täglichen Bombenanschlägen und gezielten Tötungen für Angst und Schrecken.

Nach Angaben der UN-Hilfsmission für Afghanistan wurden in den ersten drei Monaten dieses Jahres 573 Zivilisten getötet und 1210 verletzt. Nur wenige Beobachter glauben an einen Rückgang der Gewalt. „Der Krieg wird sich verschärfen, hässlicher werden – und sich hinziehen, bis die Taliban die Macht ergreifen“, prophezeit der Afghanistan-Experte Nischank Motwani.

Wie stehen die Nato-Verbündeten dazu?

Auch einige Nato-Ländern befürchten ein Aufflammen der Gewalt. Nach Einschätzung der belgischen Außenministerin Sophie Wilmès könnte die Ankündigung des Truppenabzugs vor einer anvisierten Friedenskonferenz in Istanbul in zwei Wochen zudem den Druck auf die Taliban verringern. „Sie könnten weniger geneigt sein, eine Einigung anzustreben“, erklärte sie. Diese Bedenken würden von mehreren Nato-Mitgliedern geteilt, hieß es aus Diplomatenkreisen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nannte den beschlossenen Truppenabzug „eine schwere Entscheidung“ mit Risiken. Dennoch unterzeichneten alle Verteidigungs- und Außenminister der 30 Bündnisstaaten am Mittwoch die Beschlusserklärung für den gemeinsamen Truppenabzug.

Können die afghanischen Sicherheitskräfte für Sicherheit sorgen?

Staatschef Aschraf Ghani sieht seine Truppen ihren Aufgaben gewachsen. Sie seien „vollständig in der Lage, ihre Menschen und ihr Land zu verteidigen“, sagte er. Nach Angaben der afghanischen Behörden übernehmen die 300.000 Soldaten und Polizisten des Landes bereits 98 Prozent aller Einsätze gegen die Aufständischen.

Bei Kampfeinsätzen ist die US-Luftwaffe bislang jedoch ein zentraler Faktor. Sie bietet wichtige Unterstützung aus der Luft, vor allem, wenn die afghanischen Truppen in die Defensive geraten. Auch könnte die fehlende Unterstützung die Moral der Truppe auf die Probe stellen, befürchten manche Experten.

Wie geht es politisch weiter?

Präsident Ghani hat einen Drei-Stufen-Plan vorgeschlagen: politische Einigung und Waffenruhe mit den Taliban, dann Präsidentenwahl, dann Bildung einer „Friedensregierung“. Die USA favorisieren eine Übergangsregierung unter Einbeziehung der Taliban und langfristig einen Konsens zwischen allen Konfliktparteien. Die Taliban bestehen aber auf einer Rückkehr zu einem Emirat unter Führung eines religiösen Ältestenrats.

Wie sind die wirtschaftlichen Aussichten?

Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt, hoch verschuldet und angewiesen auf ausländische Hilfe. Zwar verfügt das Land über Bodenschätze, aber die Sicherheitslage war nie stabil genug, um auf diese Weise die Staatskassen zu füllen. Im November sagten Geberländer Afghanistan Unterstützung bis 2024 zu. Wegen des Abzugs der ausländischen Truppen ist die Einhaltung dieser Hilfszusagen aber fraglich.

Was ist mit Afghanistans Frauen?

Es gibt die breite Befürchtung, dass auch sie die Errungenschaften der vergangenen beiden Jahrzehnte verlieren könnten. Die Taliban verbannten bis zu ihrem Sturz 2001 Mädchen aus Schulen und steinigten Frauen wegen Ehebruchs zu Tode. Heute gibt es in Afghanistan Politikerinnen, Aktivistinnen, Richterinnen oder Journalistinnen.

Die Taliban erklären, sie respektierten Frauenrechte, solange diese im Einklang mit islamischem Recht stünden. „Wenn sie sagen, dass sie die Frauenrechte schützen werden, werden sie dies entsprechend ihrer Auslegung der Scharia tun“, kommentiert die afghanische Wissenschaftlerin Mariam Safi.

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