Russland hat nach eigenen Angaben mit dem Abzug seiner seit Wochen an der ukrainischen Grenze stationierten Truppen begonnen. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte am Freitag, die Rückverlegung von Soldaten auf der Krim zu ihren „ständigen Einsatzorten“ sei bereits im Gange. Kiew begrüßte die Nachricht von der Truppenverlegung, rief seine westlichen Partner jedoch zu weiterer Wachsamkeit gegenüber Moskau auf.
Russland hatte in den vergangenen Wochen zehntausende Soldaten an der ukrainischen Grenze sowie auf der annektierten Halbinsel Krim stationiert. Die von Russland mit Armeeübungen begründete Truppenverlegung hatte in der Ukraine sowie im Westen Furcht vor einer weiteren Eskalation der Spannungen in der Region ausgelöst. Allein an den Manövern auf der Krim beteiligten sich nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums rund 10.000 Soldaten sowie 40 Kriegsschiffe.
Am Donnerstag kündigte Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu dann den Truppenabzug an. Er begründete dies damit, dass die Ziele der Militärmanöver in der Region erreicht seien.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba reagierte mit verhaltenem Optimismus auf die russischen Ankündigungen. Der Truppenabzug könne zum Abbau der Spannungen beitragen, sagte er am Freitag. Er beende jedoch nicht die jüngste Eskalation oder den „Konflikts als Ganzes“. Die Partner der Ukraine müssten „wachsam“ bleiben „und wirksame Maßnahmen zur Einhegung Russlands zu ergreifen“, forderte er.
Skeptisch gegenüber den russischen Erklärungen zeigte sich auch der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk. Für eine Entwarnung sei es viel zu früh, betonte er in den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Ganz im Gegenteil: Dieser rhetorische Trick kann nur eine weitere Nebelkerze sein, um die wahren Absichten von Präsident (Wladimir) Putin zu verschleiern und die Kriegsbereitschaft der russischen Armee aufrechtzuerhalten.“
Auch die Bundesregierung äußerte sich zurückhaltend: Die Ankündigung zum Truppenabzug sei „zur Kenntnis genommen“ worden und könnte eine Entspannung bedeuten, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin. Zum Umfang des Abzugs lägen aber bisher „keine Erkenntnisse“ vor. Zuvor hatten die USA Moskau aufgefordert, dem angekündigten Abzug Handeln folgen zu lassen.
Die von Russland verkündete Truppenreduzierung erfolgte einen Tag, bevor eine in russischen Staatsmedien angekündigte Teilsperrung des Schwarzen Meers für internationale Schiffe durch Moskau beginnen sollte. Betroffen von der Blockade wären auch die ukrainischen Häfen am Asowschen Meer, das durch die Straße von Kertsch an der Ostspitze der Krim mit dem Schwarzen Meer verbunden ist. Die Nato und die EU verurteilten die russischen Pläne deshalb scharf.
Der Kreml wies die Ängste des Westens vor einer weiteren russischen Eskalation im Ukraine-Konflikt am Freitag erneut zurück. „Die Verlegung russischer Truppen innerhalb Russlands ist für niemanden eine Bedrohung“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow vor Journalisten. Putin habe „wiederholt“ sein Interesse an eine Verbesserung der Beziehungen zum Westen betont.
Der Ukraine-Beauftragte Moskaus, Dmitri Kosak, schlug kurz darauf neue Verhandlungen zu dem Konflikt im sogenannten Normandie-Format vor, in dem Deutschland und Frankreich als Vermittler zwischen Moskau und Kiew fungieren. Bereits am Donnerstag hatte Putin erklärt, sein ukrainischer Kollege Wolodymyr Selenskyj sei jederzeit in Moskau willkommen, um bilaterale Themen zu besprechen. Die zunehmenden Kämpfe in der Ostukraine müsse dieser jedoch mit den Anführern der Separatisten in der Region besprechen.
Die Lage in der Ostukraine, in der prorussische Separatisten gegen die ukrainische Armee kämpfen, hatte sich zuletzt wieder zugespitzt. Seit Mitte Februar gibt es dort verstärkte Kämpfe, die einen ohnehin brüchigen Waffenstillstand weiter untergraben. Seit Anfang des Jahres starben in dem Konflikt mindestens 31 ukrainische Soldaten, im Vergleich zu 50 im gesamten Jahr 2020. Seit Beginn des Konflikts 2014 wurden bereits mehr als 13.000 Menschen getötet.