Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich dafür ausgesprochen, in der Corona-Pandemie Ende Mai einen verbindlichen Fahrplan für eine Rückkehr „ins normale Leben“ festzulegen. Für einen unbeschwerten Sommer seien in den kommenden Wochen aber noch einmal Anstrengungen der Bürgerinnen und Bürger nötig. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte die am Samstag in Kraft getretene bundesweite Corona-Notbremse angesichts „wahrer Hilferufe“ von Ärzten und Pflegepersonal als dringend notwendig.
„Wir brauchen den Fahrplan zurück ins normale Leben, aber einen, der nicht nach ein paar Tagen widerrufen wird“, sagte Scholz der „Bild am Sonntag“. „Ende Mai sollten wir in der Lage sein, belastbare Aussagen zu treffen“, fügte der SPD-Kanzlerkandidat hinzu.
Scholz sprach sich dafür aus, „dass wir als Regierung dann klare und mutige Öffnungsschritte für den Sommer festlegen“. Damit sollen sich Restaurants auf ihre Öffnung einstellen und die Bürger ihren Sommer planen können. Außerdem solle festgelegt werden, ab wann wieder Konzerte, Theater und Stadionbesuche möglich seien.
Scholz sagte, auch er habe „keine Lust mehr auf diese Pandemie und ihre Einschränkungen“. Dennoch sei die jetzt in Kraft getretene bundesweite Corona-Notbremse notwendig. „Wir brauchen noch einmal diese Anstrengung, damit wir einen schönen Sommer und dann wieder ein unbeschwerteres Leben haben“, warb Scholz.
Der SPD-Politiker rief die Bürger auf, sich „in den nächsten vier bis sechs Wochen nicht die Chance kaputtzumachen, im Sommer im Biergarten zu sitzen und in den Urlaub zu fahren“. Durch die Corona-Impfungen und -Tests sowie durch die jetzt geltenden Regeln habe Deutschland die Möglichkeit, „die Pandemie im Sommer hinter uns zu lassen“.
Unterstützung für den Vorstoß von Scholz signalisierte die rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katja Keul. „Einen Stufenplan, der sowohl Schließungen als auch Lockerungsschritte konkret vorsieht, fordert die grüne Fraktion schon seit Herbst letzten Jahres“, sagte sie dem „Handelsblatt“.
Kanzlerin Merkel verteidigte unterdessen die bundesweite Corona-Notbremse als „dringend nötig“. Von Ärzten und Pflegepersonal kämen „wahre Hilferufe“, sagte sie am Samstag in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. „Diese Menschen gehen für uns alle tagtäglich an ihre Grenzen, um das Leben von Corona-Patienten zu retten.“
Die durch die Notbremse vorgesehenen Maßnahmen bezeichnete Merkel als „hart“. Aber kein Land, das es geschafft habe, die dritte Welle der Pandemie zu brechen, habe dies ohne harte Maßnahmen wie nächtliche Ausgangsbeschränkungen erreicht.
Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Sonntag wurden innerhalb eines Tages 18.773 Neuinfektionen mit dem Coronavirus registriert und zudem 120 weitere Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus verzeichnet. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg am Sonntag leicht auf 165,6.
Die Sieben-Tage-Inzidenz ist ein wesentlicher Maßstab für die Verschärfung oder Lockerung von Corona-Auflagen. Besonders umstritten bei der seit Samstag geltenden bundesweiten Corona-Notbremse ist die nächtliche Ausgangssperre. Beim Bundesverfassungsgericht sind mehrere Klagen anhängig.
Am Sonntag teilte auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) mit, dass sie wie angekündigt in Karlsruhe Verfassungsbeschwere eingereicht habe. Die GFF und die Beschwerdeführer – darunter Politikerinnen und Politiker von SPD, FPD, Grünen und Linke – wollten sich dabei „ausdrücklich zum Ziel der Pandemiebekämpfung“ bekennen und nicht das gesamte Notbremse-Gesetz kippen. Stattdessen solle sich die Beschwerde „gezielt gegen die verfassungswidrigen Ausgangssperren“ richten.