Im Corona-Jahr rund 342.000 Arbeitstage wegen Streiks ausgefallen – kaum weniger als 2019

Symbolbild: Streik/Nürnberger Blatt
Symbolbild: Streik/Nürnberger Blatt

Trotz der Corona-Einschränkungen haben zahlreiche Beschäftigte im vergangenen Jahr für die Sicherung ihres Arbeitsplatzes, für bessere Arbeitsbedingungen oder für mehr Lohn gestreikt. 2020 fielen insgesamt rund 342.000 Arbeitstage wegen Arbeitskämpfen aus, wie das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung am Dienstag mitteilte. Das waren kaum weniger als 2019 mit 360.000 ausgefallenen Arbeitstagen. In diesem Jahr rechnen die WSI-Forscher mit einem deutlichen Anstieg.

Mit Ausbruch der Corona-Pandemie und den strikten Maßnahmen zur Eindämmung im Frühjahr ging es in der Tarifpolitik in vielen Branchen zunächst um Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung und zur Aufstockung des gesetzlichen Kurzarbeitergeldes. „Im Frühjahr gab es eine Art ‚Streikpause‘ bei der – von sehr wenigen Einzelfällen abgesehen – für einen Zeitraum von zweieinhalb Monaten sämtliche Arbeitskampfmaßnahmen eingestellt wurden“, erläuterte WSI-Forscher Thorsten Schulten.

Ab dem Frühsommer hätten die Streikaktivitäten dann wieder zugenommen. Die umfangreichsten Arbeitskampfaktionen gab es laut WSI im Herbst im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen und im öffentlichen Nahverkehr.

Den Gewerkschaften sei es „unter dem Strich gut gelungen, auch unter Pandemiebedingungen ihre Arbeitskampffähigkeit unter Beweis zu stellen“, analysierten die WSI-Forscher. Neben coronaschutzkonformen Präsenzaktionen mit Hygienekonzept, Abstand und Masken hätten Beschäftigte und Gewerkschaften auch neue, innovative Formen eingeführt – etwa digitale Streikversammlungen.

In diesem Jahr rücke die Frage, „wer denn die Kosten der Pandemie trägt, immer mehr in den Mittelpunkt und prägt damit auch die Verteilungskonflikte zwischen den Tarifvertragsparteien“, erwarten die WSI-Forscher. Zusätzliche Schwierigkeiten entstünden dadurch, dass es wichtigen Branchen oder zumindest Teilen davon trotz Pandemie wirtschaftlich wieder gut geht. Exemplarisch habe sich die „zunehmende Konfliktintensität“ bereits bei den Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie gezeigt, die in den ersten Monaten des Jahres 2021 von zahlreichen Warnstreiks begleitet worden waren.

Nach Angaben der IG Metall beteiligten sich mehr als 800.000 Beschäftigte – für das WSI deutet bereits diese Zahl darauf hin, dass das Arbeitskampfvolumen im Jahr 2021 deutlich größer als im Vorjahr ausfallen dürfte. In Ostdeutschland sei zudem die Tarifauseinandersetzung um die deutlich längeren Wochenarbeitszeiten ungelöst und könnte von weiteren Arbeitsniederlegungen begleitet werden.

Das WSI erstellt seine Arbeitskampfbilanz auf Basis von Gewerkschaftsangaben, Pressemeldungen und eigenen Recherchen. Die Zahl der arbeitskampfbedingten Ausfalltage ist den Angaben zufolge ein rechnerischer Wert, in den neben den von Gewerkschaften gemeldeten Personen-Streiktagen (der Summe der Kalendertage, an denen individuelle Mitglieder Streikgeld empfingen) auch der vom WSI geschätzte Arbeitsausfall bei Warnstreiks ohne Streikgeldzahlungen einbezogen wird.

Analog zur amtlichen Statistik werden bei der Streikbeteiligung Beschäftigte, die an zeitlich getrennten Streiks oder Warnstreiks innerhalb eines Arbeitskampfes teilnehmen, teilweise mehrfach gezählt, wie das WSI erläuterte. Die erfasste Streikbeteiligung ist daher teilweise erheblich höher als die Anzahl der individuellen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ein- oder mehrmals gestreikt haben.

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