Für Deutschland ist es eine Zäsur: Nach langem Ringen hat der Bundestag den Weg für den Kohleausstieg bis spätestens 2038 freigemacht. Doch bei Umweltschützern sorgt der Kompromiss zwischen den Interessen der Kraftwerksbetreiber, der betroffenen Bundesländer und den Klimazielen weiter für Kritik.
DER AUSSTIEGSFAHRPLAN
Mit der schrittweisen Abkehr von Braun- und Steinkohle will die Bundesregierung ihre selbstgesteckten Ziele im Kampf gegen die Erderwärmung einhalten. Denn Kohlekraftwerke sind für einen erheblichen Teil des CO2-Ausstoßes verantwortlich.
Bis spätestens Ende 2038 soll nun laut Kohleausstiegsgesetz das letzte Kraftwerk vom Netz gehen. In den Jahren 2026, 2029 und 2032 wird jeweils Mitte August überprüft, ob der Fahrplan für die Zeit nach 2030 um drei Jahre vorgezogen werden kann, also ein Ausstieg womöglich auch bis Ende 2035 möglich ist.
Den Anfang bei den Abschaltungen macht bei der Braunkohle bis Ende 2020 zunächst ein Kraftwerksblock im rheinischen Revier, danach gehen dort bis Ende 2022 sieben weitere meist kleinere und vorwiegend ältere Blöcke vom Netz.
Ostdeutschland ist erstmals Ende 2025 bis Ende 2028 betroffen, wenn schrittweise das Kraftwerk Jänschwalde abgeschaltet wird. Schwerpunkte der Abschaltung sind danach in den Jahren 2029 und 2038. Besonders leistungsstarke Anlagen sollen bis zuletzt am Netz bleiben.
STEINKOHLE
Für heftige Kritik bei Umweltschützern sorgte zuletzt, dass am Anfang des Kohleausstiegs zunächst ein Einstieg stand: Anfang Juni ging das umstrittene Steinkohlekraftwerk Datteln IV ans Netz, das als neues Symbol des Widerstands von Klimaaktivisten gegen die Kohleverstromung gilt. Der Betreiber verweist hingegen darauf, dass Datteln IV eines der modernsten Kohlekraftwerke sei. Auch das Bundeswirtschaftsministerium hält es für sinnvoller, zunächst ältere, ineffizientere Steinkohlekraftwerke außer Betrieb zu nehmen.
Grundsätzlich gibt es bei der Abschaltung von Steinkohlekraftwerken künftig ein Ausschreibungsverfahren, das die Betreiber zum Abschaltung von Anlagen aus eigenem Antrieb bewegen soll – vor allem solcher Anlagen, deren Abschaltung die größte CO2-Einsparung bei gleichzeitig den geringsten Stilllegungskosten bedeutet.
Dafür erhalten die Betreiber Kompensationen, deren Höhe mit den Jahren absinkt. Wenn sich bis Ende 2026 zu wenige Betreiber auf die Ausschreibungen bewerben, werden Steinkohlekraftwerke ordnungsrechtlich stillgelegt. Das heißt, die Bundesnetzagentur ordnet dann Abschaltungen an; Kompensationen gibt es dabei nicht mehr.
ENTSCHÄDIGUNGEN BEI DER BRAUNKOHLE
Die Braunkohle-Kraftwerksbetreiber sollen mit 4,35 Milliarden Euro vom Bund für die Stilllegung ihrer Anlagen entschädigt werden. Davon betreffen 2,6 Milliarden Euro Kraftwerke in Nordrhein-Westfalen und 1,75 Milliarden Euro Anlagen in Ostdeutschland. Klimaschutzaktivisten kritisieren hierbei, dass sich die Betreiber veraltete Braunkohlemeiler „vergolden“ lassen könnten.
STRUKTURHILFEN
Zentrale Frage beim Ringen um den Kohlekompromiss war, wie sich die Folgen für die betroffenen Reviere abfedern und dort neue Perspektiven für die oft strukturschwachen Regionen schaffen lassen. Im Gegenzug für den Wegfall der Arbeitsplätze erhalten die betroffenen Länder Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt Hilfen von insgesamt bis 40 Milliarden Euro.
14 Milliarden Euro gibt es als direkte Finanzhilfen; zudem will der Bund in den betroffenen Ländern selbst weitere Maßnahmen im Volumen von bis zu 26 Milliarden Euro umsetzen, vor allem zum Ausbau der Infrastruktur. Für betroffene Arbeitnehmer ab 58 Jahren soll es außerdem ein Anpassungsgeld geben.
KRITIK VON KLIMASCHÜTZERN
Der Deutsche Naturschutzring DNR, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen, kritisiert, das Kohleausstiegsgesetz bleibe „meilenweit hinter den klimawissenschaftlichen und -politischen Notwendigkeiten zurück“. Nötig für Treibhausgasneutralität sei ein Ausstieg bis spätestens 2030, der „ohne weiteres technologisch, strukturpolitisch und energiewirtschaftlich möglich“ sei.