Scholz plant wegen Wirecard-Skandal schärfere Instrumente für Finanzaufseher – Opposition will mehr!

Olaf Scholz - Bild: REUTERS/Annegret Hilse/Pool
Olaf Scholz - Bild: REUTERS/Annegret Hilse/Pool

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will als Reaktion auf den mutmaßlichen Milliardenbetrug des Zahlungsdienstleisters Wirecard die Kontrolle über die Finanzbranche verschärfen. Ein Plan des Ministeriums sieht insgesamt 16 Maßnahmen vor, mit denen Bilanzbetrug effektiver bekämpft und die Kontrolle über Kapital- und Finanzmärkte gestärkt werden soll. Die Vorschläge werden derzeit in der Bundesregierung beraten. Der Opposition kritisierte das Vorhaben als nicht weitreichend genug.

Das bisherige zweistufige System bei der Bilanzkontrolle soll dem Plan zufolge grundlegend reformiert werden. Künftig soll die Finanzaufsicht Bafin demnach direkt und unmittelbar mit hoheitlichen Befugnissen gegenüber Kapitalmarktunternehmen auftreten können. Vorgesehen ist unter anderem ein Sonderprüfungsrecht. „So werden Bilanzkontrollen insgesamt schneller, transparenter und effektiver“, heißt es in dem Vorstoß. Zudem solle untersucht werden, „wie Hinweise von Whistleblowern stärker genutzt und wie Anreize für Hinweisgeber verbessert werden können“. 

Um Betriebsblindheit zu vermeiden, sollen demnach Bilanzprüfer künftig alle zehn Jahre – statt alle 20 Jahre – ausgetauscht werden. Beratung und Kontrolle sollen schärfer getrennt werden. Die Aufsicht über die Prüfer von Abschlussbilanzen werde verstärkt und die strengen Verschwiegenheitspflichten würden gelockert. Zwischen den Aufsichtsbehörden solle es künftig einen Austausch geben dürfen. Verfehlungen sollen schneller und strenger geahndet werden. Er wolle „die zivilrechtliche Haftung“ von Abschlussprüfern überprüfen.

Die Union zeigte sich offen für die Vorschläge. Der Finanzobmann der Unionsfraktion, Hans Michelbach (CSU), sprach von einem „ersten Schritt in die richtige Richtung“, der jedoch noch nicht ausreiche. „Wir müssen ohne Zweifel zügig nachrüsten. Allerdings bleibt der Finanzminister dabei an sehr vielen Punkten unkonkret.“

Die Opposition drängte die Bundesregierung zu Nachbesserungen. Die Grünen begrüßten zwar, dass sich Scholz infolge des Wirecard-Skandals „bei der Fehlerkorrektur ins Zeug“ lege. „Doch genau das erwarten wir auch bei der Aufklärung“, erklärte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Danyal Bayaz. „Wenn man etwas korrigieren möchte, muss man doch genau wissen, wo, warum und wie Fehler passiert sind.“ 

Der stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Fabio Di Masi, lobte „einige sinnvolle Maßnahmen“ des Aktionsplans. „Deutschlands chronische Probleme bei der Finanzaufsicht erfordern aber weitere Maßnahmen“, forderte er. So solle etwa die Haftungsgrenze von vier Millionen Euro für Wirtschaftsprüfer abgeschafft werden.

Kritik kam von der FDP. Der Aktionsplan diene vor allem dazu, die Bundesregierung nach ihren „vielen Versäumnissen und Fehlern im Fall Wirecard politisch aus der Schusslinie zu bringen“, erklärte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Florian Toncar. Die Vorschläge von Scholz enthielten „wenig wirklich Innovatives, sondern viel selbstverständliches“.

Auch Aktionärsschützer zeigten sich skeptisch. „Wir haben eigentlich alle Gesetzte die wir brauchen. Wir müssen sie nur anwenden“, sagte Daniela Bergdolt von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz dem Bayerischen Rundfunk. Die bestehenden Gesetze müssten aber auch zu einer tatsächlichen Haftung führen.

Am Mittwoch kommt der Finanzausschuss des Bundestags zu einer Sondersitzung wegen Wirecard zusammen. Scholz und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) haben ihr Kommen zugesichert. Nach der Opposition befürworteten nun auch SPD-Politiker die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses. 

„Für einen Untersuchungsausschuss sind wir offen“, sagte die SPD-Finanzexpertin im Bundestag, Ingrid Arndt-Brauer, dem „Spiegel“. Auch die linke SPD-Abgeordnete Hilde Mattheis befürwortet einen Untersuchungsausschuss.

Wirecard hatte Ende Juni Insolvenz angemeldet, nachdem das Unternehmen eingestehen musste, dass in der Bilanz aufgeführte Barmittel von 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf asiatischen Bankkonten lagen, nicht auffindbar seien. Erst am Mittwoch wurde Ex-Wirecard-Chef Markus Braun erneut verhaftet. Zudem wurden zwei weitere frühere Vorstände festgenommen, darunter der bis 2017 amtierende Finanzvorstand.

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