Im Kampf gegen Kindesmissbrauch drängt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf eine auf sechs Monate verlängerte Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen. Einen Bericht der „Bild am Sonntag“ über einen entsprechenden Brief Seehofers an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) bestätigte am Sonntag ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. In dem AFP auszugsweise vorliegenden Brief verweist Seehofer unter anderem darauf, dass IP-Adressen häufig den „ersten und einzigen Ermittlungsansatz“ darstellten, „der den Ermittlungsbehörden in Fällen von Kinder-pornografie zur Verfügung steht“.
In dem Brief plädiert Seehofer dafür, die Speicherfrist „nur für IP-Adressen von zehn Wochen auf mindestens sechs Monate“ zu verlängern. Der CSU-Politiker verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass „Hinweise auf relevante IP-Adressen häufig erst nach mehreren Monaten bei den Ermittlungsbehörden“ eingingen.
Datenschützer kritisieren das Instrument der Vorratsdatenspeicherung generell. Derzeit steht noch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Vorratsdatenspeicherung aus.
Dazu schreibt Seehofer in dem Brief an Lambrecht, ihm sei „bewusst, dass die Durchsetzung der geltenden Regelungen durch die Bundesnetzagentur zum jetzigen Zeitpunkt – also vor einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs im deutschen Vorlageverfahren – nicht angezeigt ist“.
Der Bundesinnenminister betont zugleich, er halte es dennoch für sinnvoll, „dringend erforderliche Anpassungen“ entsprechender Gesetzesregelungen „bereits jetzt vorzunehmen, damit diese nach einem die Vereinbarkeit der deutschen Regelungen mit EU-Recht bestätigenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs zeitnah umgesetzt werden können“.
Dagegen sagte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums der „BamS“: „Ein gesetzlicher Anpassungsbedarf kann sinnvoll erst geprüft werden, wenn die Gerichte entschieden haben.“
Weiter schreibt Seehofer in dem Brief an Lambrecht, eine Verlängerung der Speicherfrist ausschließlich für IP-Adressen auf mindestens sechs Monate sei aus seiner Sicht auch verhältnismäßig. Er begründet dies damit, dass „die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen ausschließlich mittels IP-Adressen kaum möglich sein dürfte und deren Speicherung deshalb einen weniger intensiven Grundrechtseingriff darstellt als die Speicherung von Verbindungs- und Standortdaten“.
Kritik an dem Vorstoß übte die FDP-Opposition. FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae sagte der Nachrichtenagentur AFP, Kindesmissbrauch sei „ein abscheuliches Verbrechen und muss mit aller Konsequenz und Härte verfolgt und geahndet werden“. Eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung sei dafür aber „das falsche Mittel“.
Die Union rufe zwar „bei jeder sich einigermaßen anbietenden Gelegenheit nach der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung, hat aber bislang keinen Gesetzesvorschlag gemacht, der mit dem Grundgesetz und dem Europarecht vereinbar ist“, kritisierte Thomae.
Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) verteidigte gegenüber AFP den Vorschlag des Innenministers. Wer Kinder wirklich vor sexualisierter Gewalt schützen wolle, komme um eine rechtssichere Regelung der Vorratsdatenspeicherung nicht umhin, sagte er. „Allein aus den USA bekommen die Sicherheitsbehörden jedes Jahr tausende von Hinweisen, denen sie mangels noch verfügbarer Daten nicht nachgehen können – 8400 allein im Jahr 2017.“
„Horst Seehofer hat dazu einen praktikablen Vorschlag gemacht, den die Bundesjustizministerin jetzt dringend aufgreifen sollte“, sagte Frei. „Ohne die Vorratsdatenspeicherung können Täter nicht entdeckt werden, obwohl sie mutmaßlich weiter Kinder misshandeln – das ist menschlich gesehen eine Katastrophe.“