Wahlgegner im Weißen Haus: Trump versucht Glaubwürdigkeit von Präsidentschaftswahl zu untergraben

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Donald Trump - Bild: Gage Skidmore - CC BY-SA 3.0

Joe Biden hatte es schon im April vorhergesagt. „Erinnern Sie sich an meine Worte: Er wird irgendwie versuchen, die Wahl nach hinten zu verschieben, er wird irgendeine Begründung finden, warum sie nicht abgehalten werden kann“, sagte der Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten über Amtsinhaber Donald Trump. Der Präsident wies dies damals als „Propaganda“ zurück – und erfüllte nun drei Monate später Bidens Prophezeiung.

„2020 wird die fehlerhafteste und betrügerischste Wahl der Geschichte“, schrieb der Rechtspopulist am Donnerstag auf Twitter und begründete dies mit der Zunahme von Briefwahlstimmen in der Corona-Krise. „Es wird eine große Peinlichkeit für die USA. Die Wahl verschieben, bis die Menschen richtig und in Sicherheit wählen können???“

Nun entscheidet in den USA der Kongress über den Wahltermin und nicht der Präsident. Eine tatsächliche Verschiebung erscheint – trotz der großen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie – höchst unwahrscheinlich, um nicht zu sagen ausgeschlossen. Beobachter hoben umgehend hervor, dass weder während des Amerikanischen Bürgerkriegs, noch während des Zweiten Weltkriegs US-Präsidentschaftswahlen verschoben wurden.

Doch Trumps Tweet folgt einem klaren Muster: Seit Monaten schon versucht der Republikaner, der in Umfragen deutlich hinter Biden liegt, Zweifel an dem für den 3. November angesetzten Urnengang zu schüren.

Immer wieder prangert der Präsident angeblichen Wahlbetrug bei Briefwahlen an, obwohl Betrugsfälle Experten zufolge äußerst selten sind. Ende Mai markierte Trumps Lieblings-Kommunikationskanal Twitter erstmals eine Botschaft des Präsidenten zu diesem Thema als irreführend.

Trump hatte schon bei der Präsidentschaftswahl 2016 von massivem Wahlbetrug gesprochen, obwohl er die Wahl gewonnen hatte. Er hat offenbar bis heute nicht verwunden, dass seine Rivalin Hillary Clinton damals rund drei Millionen mehr Wählerstimmen erhielt. Der Immobilienmilliardär gewann die Wahl damals wegen der Besonderheit des US-Wahlrechts, dass letztlich Wahlmänner über den Präsidenten entscheiden.

Jetzt strebt Trump eine zweite Amtszeit an – doch die Zeichen stehen weniger als hundert Tage vor der Wahl schlecht. Der 74-Jährige ist wegen seines Umgangs mit der Coronavirus-Pandemie und den Anti-Rassismus-Protesten nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd stark in die Kritik geraten. Er ist in Umfragen teils deutlich hinter Biden zurückgefallen, sowohl landesweit als auch in besonders umkämpften Schlüsselstaaten.

Eine Abwahl dürfte für den als Narzissten verschrieenen Trump ein Albtraumszenario sein, und so klammert er sich ans Weiße Haus. Als Trump kürzlich in einem Interview gefragt wurde, ob er eine Wahlniederlage akzeptieren würde, sagte er mehrfach: „Das muss ich dann sehen.“

Einige Beobachter befürchten Schlimmstes: Was, wenn Trump sich weigert, eine mögliche Wahlniederlage anzuerkennen und das Weiße Haus zu räumen? Was, wenn radikalisierte Trump-Anhänger zu den Waffen greifen, um für ihr Idol zu kämpfen? Wie stabil ist die große Demokratie USA tatsächlich?

Die Harvard-Politologen Steven Levitsky und Daniel Ziblatt warnten schon 2018 in ihrem Buch „Wie Demokratien sterben“ vor den autoritären Tendenzen Trumps und seinen Versuchen, die Glaubwürdigkeit von Wahlen zu untergraben. Mit seinem Tweet vom Donnerstag überschritt der Präsident eine neue Grenze.

Womöglich ging es Trump aber gar nicht so sehr um die Wahl in knapp drei Monaten, sondern um eine höchst aktuelle Nachricht vom Donnerstag selbst: Nur eine Viertelstunde vor dem Präsidenten-Tweet waren desaströse neue Konjunkturzahlen veröffentlicht worden, die US-Wirtschaft schrumpfte demnach wegen Corona im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal um 9,5 Prozent.

Die Demokratische Partei bezeichnete Trumps Vorgehen deswegen als „verzweifelten Versuch, von den verheerenden Wirtschaftszahlen abzulenken“. Der Präsident könne twittern so viel er wolle – die Wahl könne er nicht verschieben. „Im November werden ihn die Wähler für sein Versagen zur Rechenschaft ziehen.“

fs/mid

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