Schwere Kritik am Kanzleramt für Umgang mit Wirecard-Skandal

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Symbolbild: Bundestag

Mitglieder des Bundestags-Finanzausschusses haben die Bundesregierung für ihren Umgang mit dem unter Betrugsverdacht stehenden Finanzdienstleister Wirecard schwer kritisiert. Bei einer Sondersitzung am Montag mussten unter anderem Vertreter des Kanzleramts sowie Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) dem Finanzausschuss Rede und Antwort stehen. Die Opposition kritisierte unter anderem die mangelnde Distanz zwischen Kanzleramt und ehemaligen Ministern, die als Lobbyisten für Wirecard arbeiteten.

„Wenn man in Deutschland die Unterstützung der Bundesregierung haben will, dann muss man sich offenbar an ehemalige Minister und Staatssekretäre wenden“, sagte die Obfrau der Grünen im Finanzausschuss, Lisa Paus. „Dann bekommt man offenbar einen Freifahrtschein für Termine mit Ministern oder Kanzlerinnen, die dann dazu führen, dass die Bundesregierung sich einem anderen Land gegenüber für diese Person einsetzt.“ 

Vergangenes Jahr hatten der ehemalige Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sowie der Ex-Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, bei der Regierung um Unterstützung für Wirecard beim Marktzugang in China gebeten. Kurz danach sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dieses Thema auf einem Staatsbesuch in China an.

Die Kanzleramtsvertreter gaben laut Ausschussmitgliedern an, damals nichts von den bereits bekannten Betrugsvorwürfen gegen Wirecard gewusst zu haben. Die Unionsvertreter im Finanzausschuss gaben die Schuld daran dem SPD-geführten Finanzministerium, das Hinweise vor Merkels China-Reise nicht weitergeleitet habe. Der SPD-Finanzexperte Jens Zimmermann sagte jedoch, das CDU-geführte Kanzleramt habe sehr wohl von den Vorwürfen gewusst, sie jedoch nicht für wichtig genug erachtet, um Wirecard nicht zu unterstützen.

Paus befragte die Kanzleramtsvertreter auch zu Verbindungen Wirecards zu ausländischen Geheimdiensten. Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek soll laut Bericht des „Handelsblatts“ nach Moskau geflüchtet sein und dort unter dem Schutz russischer Geheimdienste stehen. Die Kanzleramtsmitarbeiter gaben laut Paus aber an, nichts darüber zu wissen. Das hält die Grüne für „wenig plausibel“. 

Justizministerin Lambrecht kündigte nach ihrer Befragung im Ausschuss an, noch im September einen Gesetzesentwurf mit strengeren Regeln für Wirtschaftsprüfer vorzulegen. Dieser Entwurf wird derzeit zwischen den Bundesministerien abgestimmt. Die Prüfgesellschaft EY steht im Wirecard-Skandal schwer in der Kritik, weil sie jahrelang die Bilanzen des mittlerweile insolventen Unternehmens geprüft hatte, ohne Alarm zu schlagen.

In der Kritik stehen allerdings auch die Finanzaufsichtsbehörden, die zwar konkrete Hinweise auf verdächtige Aktivitäten bei Wirecard hatten, diesen aber nicht ausreichend nachgegangen sein sollen. Am Montag sollten deshalb noch Vertreter der Bafin sowie der bayerischen Landesregierung und der Zoll-Spezialeinheit Financial Intelligence Unit (FIU) angehört werden. Am Dienstag folgen Bafin-Chef Felix Hufeld sowie Vertreter von Bundesbank, Deutscher Börse und des hessischen Wirtschaftsministeriums.

Besonderes Augenmerk liegt bei der Sitzung auf den Grünen, da diese über die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses entscheiden können. Bislang haben die AfD, die Linke und die FDP ihre Unterstützung dafür bekanntgegeben. Allerdings wollen Linke und FDP nicht mit der rechtspopulistischen AfD stimmen. Deshalb müssten die Grünen einwilligen, um die nötige Zahl an Abgeordneten für einen Untersuchungsausschuss zusammenzubekommen. 

Der grüne Finanzexperte Danyal Bayaz hatte bereits vor der Sitzung gesagt, die Wahrscheinlichkeit für eine Zustimmung sei „hoch“. An dieser Einschätzung änderte er bis zum Montagabend nichts.

Der Ausschuss hatte bereits Ende Juli Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zu ihrer Rolle im milliardenschweren Bilanzskandal des mittlerweile insolventen Zahlungsdienstleisters befragt, damals aber weitere Aufklärung zur Rolle der Bundesregierung gefordert.

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