Der höchste Anstieg von Corona-Neuinfektionen seit Anfang Mai in Deutschland schürt die Furcht vor einer zweiten Infektionswelle. „Das ist ohne Zweifel besorgniserregend“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Mittwoch im Deutschlandfunk. Er mahnte, jetzt „sehr wachsam“ zu sein. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte ebenfalls: „Die Entwicklung dieser Zahlen macht uns Sorgen.“ Über die Herausforderungen für die Schulen wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chefin Saskia Esken am Donnerstag mit Bildungspolitikerin aus Bund und Ländern beraten.
Die tägliche gemeldete Zahl der Neuinfektionen hatte am Mittwochmorgen den höchsten Stand seit Anfang Mai erreicht. Das Robert-Koch-Institut meldete im Vergleich zum Vortag ein Plus von 1226.
Die Bundesregierung zeigte sich vor allem über die verschiedenen Ausbrüche im ganzen Land besorgt. Es sei zu sehen, dass es durch Reiserückkehrer, aber eben auch durch Partys aller Art, durch Familienfeiern an ganzen vielen Stellen im Land kleine und größere Ausbrüche gebe, sagte Spahn. „Das kann natürlich, wenn wir jetzt nicht alle aufpassen, eine Dynamik entfalten“, warnte der CDU-Politiker.
Ähnlich äußerte sich Regierungssprecher Seibert. Auch wenn mancher ein Stück weit von den Schutzmaßnahmen ermüdet sei, müssten alle vorsichtig und wachsam sein. „Wir müssen eine Verschärfung der Situation vermeiden“, sagte Seibert.
Ein besonderes Augenmerk liegt nach wie vor auf den Schulen. In Nordrhein-Westfalen kehrten die Kinder und Jugendlichen am Mittwoch unter besonders strengen Bedingungen nach den Ferien zurück. Dort besteht auf dem gesamten Schulgelände eine Maskenpflicht und vorläufig bis Ende August ab der fünften Klasse auch im Unterricht.
Zu einem „informellen Austausch“ über die Herausforderungen für die Schulen in der Corona-Pandemie wollen laut Regierungssprecher Seibert Merkel und Esken am Donnerstag im Kanzleramt mit Bildungspolitikern aus Bund und Ländern zusammenkommen. Eines der Themen seien digitale Bildungsangebote. Unter den Teilnehmern sind demnach Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sowie mehrere Kultusminister der Länder.
Seibert verwies ausdrücklich auf die Verantwortung der Länder für die Schulpolitik. Es gebe aber eine „Gesamtverantwortung der Bundesregierung“ dafür, wie Deutschland „insgesamt“ mit der Pandemie umgehe, sagte er.
Ärztepräsident Klaus Reinhardt sprach sich dagegen aus, im Fall von vereinzelten Coronavirus-Infektionen ganze Schulen zu schließen. Wenn ein Corona-Fall auftauche, „muss nicht direkt die Schule für 14 Tage geschlossen werden“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer der „Rheinischen Post“. Es reiche, wenn einzelne Klassen oder Kurse zu Hause blieben.
Voraussetzung dafür sei natürlich, dass die Schüler auch nur in diesen Gruppen zusammenkämen, fügte Reinhardt hinzu. Darauf müssten die Schulen achten und entsprechende Konzepte erarbeiten. Leider seien aber viele Schulen hinsichtlich der Hygiene- und Abstandskonzepte auf den Start nach den Sommerferien nicht ausreichend vorbereitet, kritisierte der Ärztepräsident.
Bundesgesundheitsminister Spahn bewertete die weltweit erste Zulassung eines Corona-Impfstoffs in Russland „sehr skeptisch“. Es gehe nicht darum, „irgendwie Erster zu sein, sondern es geht darum, einen wirksamen, einen erprobten und damit eben auch sicheren Impfstoff zu haben“, sagte Spahn. Nach bisherigem Stand habe es in Russland keine klinischen Erprobungen auch in der Breite gegeben. Die russischen Behörden gingen auch nicht sehr transparent vor.