Nach der Nominierung von Olaf Scholz als Kanzlerkandidat der SPD nimmt die Parteiführung die Arbeit am passenden Wahlprogramm in den Fokus. Die SPD benötige ein Programm auf Grundlage der jüngsten Parteitagsbeschlüsse, das „mit dem Kandidaten und der Partei konkretisiert wird“, sagte der Vorsitzende Norbert Walter-Borjans den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Dienstag. Juso-Chef Kevin Kühnert mahnte einen fairen Umgang mit Scholz an.
Walter-Borjans betonte das inhaltliche Mitspracherecht der Parteiführung. „Ich habe immer gesagt, dass ein Kanzlerkandidat nicht einfach seine Agenda durchdrücken kann“, sagte er den Zeitungen. „Gleichzeitig darf die Partei ihrem Kandidaten kein Programm überstülpen.“
Der dem konservativen Parteiflügel zugerechnete Vizekanzler und Bundesfinanzminister war am Montag vom SPD-Vorstand einstimmig zum Kanzlerkandidaten ausgerufen worden. Die Nominierung erfolgte auf Vorschlag der linken Vorsitzenden Walter-Borjans und Saskia Esken.
SPD-Generalsekretär Klingbeil sagte den Sendern RTL und n-tv, er habe bereits „angefangen, das Regierungsprogramm zu schreiben“. Es werde ein Programm geben, „dass zum Kanzlerkandidaten passt“, versicherte er.
Der frühere SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mahnte, seine Partei müsse aufpassen, dass sie den Kandidaten „nicht aufreibt“ zwischen Partei und Programm. „Daran habe ich gelitten, daran hat auch Steinmeier mal gelitten – und daran hat auch Martin Schulz 2017 gelitten“, sagte er mit Blick auf die vorangegangenen Kanzlerkandidaten im Bayerischen Rundfunk.
Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert warnte die SPD-internen Scholz-Kritiker vor zu scharfen Angriffen. Es sei „wichtig, sich von einer destruktiven Art der Kritik abzugrenzen“, sagte er am Dienstag in Berlin. Ein respektvoller Umgang müsse „die Maxime von notwendigen inhaltlichen innerparteilichen Auseinandersetzungen in der SPD“ sein.
„Wir werden als Jusos, als Linke nicht aufhören, kritisch zu sein“, versicherte Kühnert zugleich. Alle Beteiligten wüssten aber, „dass wir in eine gemeinsame Richtung laufen“.
Kritisch äußerte sich die prominente SPD-Linke Hilde Mattheis. Die Partei habe sich mit der Wahl der Parteivorsitzenden im vergangenen Jahr von ihrer Politik der vorangegangenen Jahre verabschieden wollen, sagte die Vorsitzende des Forums Demokratische Linke 21 im Rundfunk Berlin-Brandenburg. „Dass wir das jetzt offensichtlich glaubhaft von Personen repräsentiert haben wollen, die aber für die Prozesse der vergangenen Jahre stehen, diese Problematik kann ich heute nicht auflösen.“
Der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, bezeichnete Scholz‘ Nominierung als Beleg für die „Orientierungslosigkeit“ der SPD. „Wie ein linkes Programm mit Ausrichtung auf Grün-Rot-Rot zum Kandidaten Olaf Scholz passen soll, bleibt ein Rätsel“, sagte er RTL.
Ähnlich äußerte sich FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg. „Das seit Jahren bekannte Modell der SPD – mit einem in der Bevölkerung angesehenen, aber in der Partei nicht unterstützten Minister als Kanzlerkandidat anzutreten und spätestens im Wahlkampf wird der Widerspruch zwischen pragmatischem Kandidaten und linkem Programm klar – wird jetzt nach gescheiterter Kandidatur für den Vorsitz und mit Linksbündnis-Ansage neu aufgelegt“, sagte sie der „Rheinischen Post“.