Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat mit seinem Vorstoß für einen „historischen Konsens“ für den Klimaschutz Lob und Kritik geerntet. Altmaier stellte am Freitag einen 20-Punkte-Plan vor, der auf eine breite Allianz für ein entschlosseneres Vorgehen im Kampf gegen die Erderwärmung abzielt und zugleich die Wirtschaftskraft stärken soll. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) begrüßte die Ankündigung – nun müssten den Worten aber auch Taten folgen.
Zentraler Punkt von Altmaiers Offensive ist, dass noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2021 – also bevor der Wahlkampf und dann eine womöglich langwierige Regierungsbildung das politische Tagesgeschäft bestimmen – partei- und fraktionsübergreifend eine „Charta für Klimaneutralität und Wirtschaftskraft“ beschlossen wird, und zwar von Bundestag und Bundesrat. Offen stehen soll sie darüberhinaus aber auch anderen gesellschaftlichen Akteuren wie beispielsweise den Kirchen, Kommunen oder Unternehmen.
Ziel sei es, „klimapolitischen Stillstand“ zu verhindern, sagte Altmaier in Berlin. Es stehe nur noch eine „begrenzte Zahl von Jahren“ zur Verfügung, um die Erderwärmung einzudämmen. „Dann schließt sich das Fenster der Gelegenheit“, sagte er. „Wir gehen seit Jahrzehnten einer ökologischen Katastrophe entgegen.“ Insgesamt sei noch nicht entschieden genug reagiert worden. Es drohten „existenzielle Folgen“ für die gesamte Menschheit und „insbesondere auch für unsere junge Generation“.
Von seinem Vorstoß erhoffe er sich eine „sachliche Diskussion“ und setze darauf, dass es noch vor der parlamentarischen Sommerpause im kommenden Jahr eine Einigung auf den Konsens gebe. Die Charta soll nach den Vorstellungen Altmaiers das Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2050 festschreiben und dafür konkrete Minderungsziele für jedes einzelne Jahr zwischen 2022 und 2050 definieren.
Altmaiers 20-Punkte-Plan enthält überdies Vorschläge zur Reform der CO2-Bepreisung und der schrittweisen Absenkung der EEG-Umlage. Außerdem soll künftig ein bestimmter Prozentsatz des Bruttoinlandsproduktes (BIP) jedes Jahr für Klimaschutz und Wirtschaftsförderung zur Verfügung stehen.
Der Minister warb dafür, die Wirtschaft – vor allem den Mittelstand – bei der notwendigen Transformation zu unterstützen und den Unternehmen Planungssicherheit zu geben. „Denn nur wenn wir Klimaschutz und Wirtschaft versöhnen, werden wir den Weg zur Klimaneutralität schaffen und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft bewahren.“
Umweltministerin Schulze erklärte, sie freue sich „auf den neuen Rückenwind“. Nun werde sie ihren Kabinettskollegen „beim Wort nehmen, wenn es um unsere tägliche gemeinsame Regierungsarbeit geht“, fügte die SPD-Ministerin hinzu. „Er könnte täglich seinen Worten Taten folgen lassen: zum Beispiel bei der Gesetzesnovelle zum Ökostrom-Ausbau, die für meinen Geschmack noch deutlich ehrgeiziger ausfallen könnte.“
Der Klimaexperte Ottmar Edenhofer, der in diesem Jahr zu den Preisträgern des deutschen Umweltpreises gehört, begrüßte den Vorstoß als „bemerkenswert“. Wenn aus diesen Worten nun wirklich Taten würden, habe Altmaier „die Chance, als ein Ludwig Erhard der Klimawende in die Geschichtsbücher einzugehen“, sagte er mit Verweis auf den früheren Bundeskanzler, der als Vater des Wirtschaftswunders und der sozialen Marktwirtschaft gilt. Jetzt müsse die Bundesregierung auch die globale Kooperation noch stärker in den Blick nehmen, fügte Edenhofer mit Blick auf Länder wie China, Indien oder Indonesien hinzu.
SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch kritisierte hingegen, Altmaier habe beim Klimaschutz „die ganze Legislaturperiode über auf der Bremse gestanden“. Es sei „absolut unglaubwürdig“, das der gleiche Minister sich nun als Reformer inszeniere, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstagsausgaben).
Auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock äußerte sich skeptisch: Vergangenes Jahr habe die Koalition „vollmundig ein Klimapaket“ angekündigt, präsentiert habe sie dann „wirkungslose zehn Euro als CO2-Preis“, sagte sie dem „Spiegel“. Daher habe sie „große Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Vorstoßes“.
Der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Lukas Köhler, sprach sich gegen „mehr Gebote, Verbote und Steuern“ aus. Altmaiers Papier enthalte „richtige Ansätze, aber auch Widersprüche“.
Die Umweltschutzorganisationen WWF und Greenpeace bemängelten, in dem 20-Punkte-Plan blieben zu viele Fragen offen. Die Organisation Germanwatch erklärte, nun müsse sich vor allem zeigen, ob Altmaier die volle Unterstützung in seiner eigenen Partei habe.