Ein Jahr vor der Bundestagswahl hat die FDP einen Wechsel im Amt des Generalsekretärs vollzogen: Die Delegierten des Bundesparteitags in Berlin wählten am Samstag den rheinland-pfälzischen Wirtschaftsminister Volker Wissing mit 82,8 Prozent der Stimmen zum Nachfolger von Linda Teuteberg. Sie folgten damit dem Vorschlag von Parteichef Christian Lindner. Dieser hatte die erst im vergangenen Jahr gewählte Generalsekretärin Teuteberg aus dem Amt gedrängt.
In seiner Rede vor den Delegierten des Bundesparteitags setzte Wissing einen wirtschafts- und finanzpolitischen Schwerpunkt. Er warb für eine „Umkehr in der Wirtschaftspolitik hin zu mehr Freiräumen, zu mehr Flexibilität, zu mehr Freiheit“.
Scharf kritisierte Wissing die Politik, mit der die große Koalition die Konjunktur in der Corona-Krise stützen will. Der Liberale sprach in diesem Zusammenhang von der „Gießkanne der große Koalition“. Es sei „politischer Größenwahn zu glauben, man könne die Wirtschaft dauerhaft an den Tropf des Staats hängen“, kritisierte Wissing. „Wir laufen in der Finanzpolitik in die völlig falsche Richtung – und wir stehen für eine Kehrtwende.“
Namentlich kritisierte der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister den SPD-Kanzlerkandidaten und Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Er habe sich „schon auf den hanseatischen Pragmatismus des Olaf Scholz gefreut“, sagte Wissing – und nun spreche Scholz von Steuererhöhungen. „Eine Wirtschaftskrise ist der dämlichste Zeitpunkt, den Staat weiter aufzublähen“, warnte Wissing.
Der FDP-Politiker pochte in seiner Rede auf die Eigenständigkeit seiner Partei jenseits der klassischen politischen Lager. „Wir sind nicht rechts, wir sind nicht links“, sagte Wissing, der in Rheinland-Pfalz Minister in einer Koalition mit SPD und Grünen ist. „Wir lehnen die Sozialisierung, den Zwang zur Einheitlichkeit genauso ab wie die konservativen Schranken für die freie Entfaltung.“
Der FDP-Politiker warb vor dem Parteitag für klassische liberale Ordnungspolitik: „Wir brauchen einen starken Staat, der seine Kernaufgaben wahrnimmt, aber wir brauchen keinen Staat, der sich in die Wirtschaft einmischt.“
Wissing wehrte sich dagegen, diesen Ansatz der FDP als Verengung auf die Wirtschaft- und Finanzpolitik wahrzunehmen. „Am Ende geht es immer um die soziale Frage: Haben die Leute einen auskömmlichen Arbeitsplatz oder nicht?“, sagte Wissing. „Wir sprechen von Gerechtigkeit, wenn neue Chancen für alle entstehen.“ Jede „vermeidbare Beschäftigungshürde“ sei „in diesen Zeiten eine zuviel“, sagte er. „Ich nenne das bewusst sozialpolitischer Ansatz.“
Wissing löst die bisherige Generalsekretärin Linda Teuteberg ab, die auf Druck von FDP-Chef Christian Lindner ihren Posten zur Verfügung gestellt hatte. Der Parteichef warb vor den Delegierten für seinen Wunschkandidaten Wissing: Von dem neuen Generalsekretär erwarte er, dass dieser „in der Wirtschafts- und Finanzpolitik unsere Substanz unterstreicht“, sagte Lindner. „Volker Wissing steht dafür, dass die Freien Demokraten regieren wollen und regieren können“, sagte er. „Der kann Wahlkampf, der kann Regierung, der kann Liberalismus.“