Die geplatzte Pkw-Maut lässt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nicht los. Am Donnerstag muss Scheuer dem Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestags Rede und Antwort stehen. Chronologie eines gescheiterten Prestigeprojekts:
Wahlkampf 2013
Die CSU wirbt unter ihrem damaligen Parteichef Horst Seehofer für die „Ausländer-Maut“. Die Forderung verfängt vor allem im Süden des Landes, wo die Bürger für die Fahrt in die Schweiz oder nach Österreich Vignetten kaufen müssen. Das Vorhaben wird schließlich in den Koalitionsvertrag von Union und SPD aufgenommen.
Sommer 2014
Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) stellt die Pläne für eine Pkw-Maut vor. Sie soll von allen Autofahrern bezahlt werden – deutsche Fahrzeughalter sollen später bei der Kfz-Steuer entlastet werden.
Sommer 2015
Die sogenannte Infrastrukturabgabe tritt am 12. Juni in Kraft. Bereits am 18. Juni leitet die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Es gebe „erhebliche Zweifel“ an der Vereinbarkeit mit europäischem Recht. Der für 2016 angepeilte Maut-Start wird verschoben.
September 2016
Die EU-Kommission verklagt Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Grund: Die Maut sei „diskriminierend“ für Ausländer.
Dezember 2016
Nach langwierigen Verhandlungen verkündet die Kommission die Einigung auf einen Kompromiss. Einer Diskriminierung vorbeugen soll die Staffelung verschiedener Vignetten und eine günstigere Kurzzeitvignette für ausländische Autofahrer.
Frühjahr 2017
Nach dem Bundestag gibt der Bundesrat grünes Licht für die Änderung des Infrastrukturabgabegesetzes.
Mai 2017
Die EU-Kommission stellt das Vertragsverletzungsverfahren ein.
Juni 2017
Dobrindt veröffentlicht die Ausschreibungen für Firmen, die die geplante Straßennutzungsgebühr einziehen und Deutschlands Autobahnen kontrollieren sollen. Die Verträge haben eine Laufzeit von zwölf Jahren.
Oktober 2017
Österreich zieht vor den EuGH – SPD und Grüne in Deutschland begrüßen dies. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol fordert, die Einführung der Pkw-Maut bis zur Entscheidung über die Klage auf Eis zu legen. Die Gefahr sei „zu groß, dass ansonsten Millionen Steuergelder verbrannt werden“.
Oktober und Dezember 2018
Scheuer, Nachfolger Dobrindts, schließt am 22. Oktober mit den Unternehmen MTS Maut & Telematik Services und der Kapsch TrafficCom aus Österreich einen Vertrag über die Mautkontrolle; am 30. Dezember wird der Vertrag mit den Unternehmen AutoTicket, Kapsch und CTS Eventim zur Erhebung der Infrastrukturabgabe besiegelt.
Februar 2019
Der EuGH-Generalanwalt hält die deutsche Pkw-Maut für rechtmäßig. Der Gerichtshof folgt den Schlussanträgen der Generalanwälte in den meisten Fällen.
18. Juni 2019
Der EuGH kippt die Maut-Pläne überraschend. Noch am selben Abend veranlasst Scheuer die Kündigung von Verträgen mit einem Volumen von insgesamt rund zwei Milliarden Euro. In der Folge entbrennt eine hitzige Debatte über mögliche Schadenersatzforderungen der Unternehmen und die Kosten des gescheiterten Projekts.
28. Juni 2019
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Unionsfraktion nehmen Scheuer in Schutz. Es habe den klaren politischen Auftrag gegeben, „für einen pünktlichen Start der Maut zu sorgen und die Einnahmen zu sichern“.
Oktober 2019
Die Opposition im Bundestag bringt einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss auf den Weg. Er tritt Mitte Dezember zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen.
Dezember 2019
Die gekündigten Maut-Betreiberfirmen Kapsch und CTS Eventim fordern 560 Millionen Euro vom Bund. Scheuer weist die Forderungen zurück, da die Betreiber ihre „vertraglichen Leistungen nicht erfüllt“ hätten.
13. Februar 2020
Das Bundesverkehrsministerium reicht eine außergerichtliche Schiedsklage gegen die Maut-Betreiber ein. Der Bund will feststellen lassen, dass den Firmen kein Entschädigungsanspruch zusteht.
1. Oktober 2020
Scheuer soll vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Pkw-Maut aussagen. Auch die Chefs der Betreiberfirmen sollen befragt werden.