Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat am Donnerstag eine unabhängige Beschwerdestelle zur Kontrolle der deutschen Polizei gefordert. Amnesty-Generalsekretär Markus N. Beeko betonte am Dienstag vor Journalisten, wie wichtig die Transparenz bei der Aufarbeitung von Polizeigewalt sei. Zudem müsse es Antirassismus-Trainings während der Ausbildung geben. Nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland bestehe dringender Handlungsbedarf, sagte er.
In den USA gab es seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis Ende Mai in vielen Städten Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus. Zuletzt hatte der Fall von Jacob Blake für Aufruhr gesorgt, dem am 23. August in der Stadt Kenosha im Bundesstaat Wisconsin mehrfach von einem weißen Polizisten in den Rücken geschossen worden war.
Nach den Vorfällen in den USA wird auch in Deutschland verstärkt über Polizeigewalt debattiert. Der Europarat hatte in einem im März veröffentlichten Bericht weitverbreiteten und institutionellen Rassismus in Deutschland angeprangert. Die Experten des Gremiums gegen Rassismus und Intoleranz fanden demnach auch vielfach Hinweise darauf, dass „Racial Profiling“ bei der deutschen Polizei sehr verbreitet ist. Der Begriff Racial Profiling beschreibt Fälle, bei denen Beamte Menschen allein aufgrund von äußeren Merkmalen wie der Hautfarbe kontrollieren.
Trotzdem sagte das Bundesinnenministeriums eine wissenschaftliche Studie zu möglichen rassistischen Tendenzen in der Polizei ab. Ein Sprecher des Innenministeriums begründete dies im Juli damit, dass es nach Ansicht des Innenminister Horst Seehofers (CSU) „keinen Bedarf“ für eine solche Studie gebe.
Maria Scharlau, Expertin für Polizei und Menschenrechte bei Amnesty International, zeichnete bei einer Online-Pressekonferenz der Menschenrechtsorganisation ein anderes Bild. Sie sprach von einer Lücke im deutschen Rechtsstaat. Eine Studie der Universität Bochum ergab demnach, dass neun von zehn Opfern von Polizeigewalt in Deutschland erst gar keine Anzeige erstatten würden. Oft würden sogar Anwälte davon abraten.
Eine Anzeige gegen ein Mitglied der Polizei sei häufig aussichtslos oder führe zu einer Gegenanzeige, sagte Scharlach. Deswegen, begründete sie, gebe es auch keine belastbaren Zahlen zu Polizeigewalt in Deutschland. Die meisten Fälle blieben unregistriert. Nur zwei Prozent der Fälle von Polizeigewalt, die bei der Staatsanwaltschaft landen, führten auch zu einer Anklage.