Das brandenburgische Verfassungsgericht hat das Paritätsgesetz in dem Bundesland gekippt. Das Gericht in Potsdam gab am Freitag den Klagen von AfD und NPD in großen Teilen statt. Das Gesetz verstoße gegen die Rechte der politischen Parteien und verletze somit mittelbar auch das Demokratieprinzip, hieß es zur Urteilsbegründung. Die SPD-Fraktion im Brandenburger Landtag erklärte, die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern bleibe das Ziel. Nun müsse aber „ein neuer Weg gefunden werden“.
NPD und AfD hatten gegen das Gesetz der früheren rot-roten Landesregierung geklagt, das vorschrieb, dass die Kandidatenlisten der Parteien für Landtagswahlen abwechselnd mit Männern und Frauen besetzt werden müssen. Das Landesverfassungsgericht gab den Klagen in der Hauptsache statt. Prinzipien wie die Organisations- und Programmfreiheit sowie die Wahlvorschlagsfreiheit und Chancengleichheit gelten für Parteien „bereits im Vorfeld der Wahl“, so das Urteil.
Der Prozess der Willensbildung vom Volk über die Parteien bis hin zu Staatsorganen müsse ohne inhaltliche staatliche Einflussnahme ablaufen. Die gesetzliche Vorgabe, Landeslisten abwechselnd mit Männern und Frauen zu besetzen, könne einzelne Kandidaten und ganze Parteien benachteiligen, urteilte das Gericht. Besonders betroffen seien Parteien, die ein ungleiches Geschlechterverhältnis unter ihren Mitgliedern hätten.
Mit dem Paritätsgesetz habe der Brandenburgische Landtag die Freiheit der Wahl „in mehrfacher Hinsicht beschränkt“ und seine Kompetenz in der Ausgestaltung von Wahlrechtsgrundsätzen überschritten. Der Gesetzgeber habe „ausdrücklich die Gleichberechtigung von Mann und Frau fördern wollen“. Der Staat müsse sich aber in diesem Willensbildungsprozess inhaltlicher Vorgaben enthalten.
NPD und AfD seien „keine verbotenen Parteien“, sondern Parteien, die „die gleichen Rechte inne haben wie alle anderen“, sagte die Verfassungsrichterin und Pressesprecherin des Landesverfassungsgerichts, Kathleen Heinrich-Reichow am Rande der Verhandlung. „Das Verfassungsgericht entscheidet nicht nach Signalwirkung, sondern nach der Landesverfassung.“
Die AfD-Fraktionsvize im Landtag und eine der Beschwerdeträgerinnen, Birgit Bessin, zeigte sich zufrieden. Sie sehe keine Ungleichbehandlung der Geschlechter. „Durch das Paritätsgesetz wäre eine entsprechende Ungleichbehandlung gegeben, wenn das Gesetz noch weiterhin in Kraft wäre“, sagte Bessin. Ob sich jemand politisch engagiere, sei „eine freie Entscheidung“.
Die SPD-Bundesspitze äußerte sich „sehr enttäuscht“ über das Urteil. „Frauen in Deutschland wird der Zugang zu politischen Entscheidungsprozessen strukturell noch immer erschwert“, kritisierte Parteivize Klara Geywitz. „So lange diese strukturellen Hürden bestehen, wird sich die SPD politisch dafür einsetzen, sie zu beseitigen“.
Auch die CDU-Frauenunion sieht weiteren Handlungsbedarf. „Alle Parteien sind jetzt umso mehr in der Verantwortung, wirksame Maßnahmen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der Politik in ihren Parteien umzusetzen“, erklärte die Vorsitzende Annette Widmann-Mauz. Der Status Quo sei keine Option in Bezug auf den Frauenanteil in den Parlamenten. Nötig sei die „gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an politischen Entscheidungen auf allen Ebenen“.
Die brandenburgische Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD), eine Unterstützerin des Paritätsgesetzes, gab sich kämpferisch. „Gleichberechtigung ist plötzlich ein ganz großes Thema in der Öffentlichkeit“, erklärte sie. Liedtke verwies auf den geringen Frauenanteil unter den brandenburgischen Landtagsabgeordneten. Der nächste Schritt sei, das Urteil genau zu überprüfen, um dann zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Umsetzung der Gleichberechtigung die Richtigen seien.