Brüssel befürchtet eine wachsende Entfremdung zwischen der Türkei und der Europäischen Union. Das geht laut der Zeitung „Welt“ aus dem jährlichen Fortschrittsbericht der EU-Kommission zu den Beitrittsgesprächen mit Ankara hervor, der an diesem Dienstagnachmittag im EU-Parlament vorgestellt werden soll. Die Türkei bewege sich immer weiter weg von der Europäischen Union und verzeichne „ernsthafte Rückschritte“ mit Blick auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte und der Unabhängigkeit der Justiz, heißt es demnach in dem Bericht.
Laut „Welt“ beklagt die EU-Kommission in dem Bericht, dass es im vergangenen Jahr „keine Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung“ in der Türkei gegeben habe. Auch gebe es in dem Land nach wie vor keine effektive Gewaltenteilung und es bestünden weiterhin „ernsthafte Bedenken über die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft“.
Hart ins Gericht geht der Bericht laut „Welt“ mit der türkischen Außenpolitik. Diese kollidiere zunehmend mit „den EU-Prioritäten einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“. Ankara unternehme im östlichen Mittelmeer „illegale Aktionen und provokative Statements“ gegenüber Zypern.
Als „zutiefst besorgniserregend“ bezeichnet der Fortschrittsbericht die „anhaltenden Verhaftungen von Oppositionsführern, Menschenrechtsaktivisten, Journalisten, Mitgliedern der Zivilgesellschaft und von Akademikern im Rahmen der umfassenden Anti-Terror-Gesetzgebung“. Zudem hätten sich im Justizwesen die „ernsthaften Rückschritte, die seit dem Putschversuch 2016 zu beobachten waren, fortgesetzt“.
„Gewisse Fortschritte“ attestiert der Bericht dagegen der türkischen Migrations- und Asylpolitik. „Im Jahr 2019 war die Türkei bestrebt, das EU-Türkei-Abkommen von März 2016 umzusetzen. Sie spielte eine Schlüsselrolle beim effektiven Management der Migrationsströme entlang der östlichen Mittelmeerroute“, zitiert „Welt“ aus dem Dokument.