Frankreichs Premier schließt örtliche Lockdowns nicht aus

Jean Castex - Bild: REUTERS/Charles Platiau
Jean Castex - Bild: REUTERS/Charles Platiau

Wegen der weiter massiv steigenden Corona-Infektionszahlen prüft die französische Regierung eine Verschärfung der Maßnahmen bis hin zu örtlichen Ausgangssperren. „Nichts darf ausgeschlossen werden, wenn man sich die Lage in unseren Krankenhäusern anschaut“, sagte Premierminister Jean Castex am Montag im Radiosender Franceinfo. Präsident Emmanuel Macron könnte bereits am Mittwochabend bei einem Fernsehauftritt neue Einschränkungen des öffentlichen Lebens ankündigen.

Premier Castex sagte, das Land sei mitten „in einer zweiten starken Welle“ der Pandemie, die „keine Lockerungen“ erlaube. Zugleich bekräftigte er, dass die Regierung eine zweite landesweite Ausgangssperre wegen der Konsequenzen für Wirtschaft und Gesellschaft „mit allen Mitteln verhindern“ will.

Örtlich begrenzte Ausgangssperren in besonders betroffenen Städten schloss Castex dagegen nicht aus. Viele Franzosen fürchten mit Blick auf die Herbstferien ab dem 19. Oktober Reisebeschränkungen ähnlich wie in Deutschland. Bisher können sich Bürger aus Risikogebieten frei in Frankreich bewegen.

Ab Dienstag tritt die höchste Corona-Warnstufe in Toulouse und Montpellier im Süden des Landes in Kraft. Damit gelten neun Ballungsräume und ein Überseegebiet als Hotspots: Neben Paris und dem Großraum Marseille sind dies bereits Lyon, Grenoble, Saint-Etienne und Lille sowie die Inselgruppe Guadeloupe in der Karibik.

Mit der höchsten Warnstufe gehen strikte Schutzmaßnahmen einher: Unter anderem müssen Bars, Cafés und Sporthallen schließen, Restaurants dürfen nur unter Auflagen offen bleiben. Deutschland warnt derzeit vor Reisen nach Frankreich mit Ausnahme der Grenzregion Grand Est.

Die Zahl der Coronavirus-Neuinfektionen steigt in Frankreich weiter ungebremst. Am Sonntag lag sie nach Angaben der Behörden bei mehr als 16.000 binnen 24 Stunden, am Samstag hatte sie mit fast 27.000 einen neuen Höchststand erreicht. Die Zahl der Coronavirus-Patienten auf den Intensivstationen wuchs auf 1483 und erreichte damit den höchsten Stand seit Mai. 

Eine Studie dokumentiert eine zunehmende Überlastung des französischen Gesundheitspersonals. Demnach stehen 57 Prozent der Krankenschwestern und -pfleger kurz vor einem sogenannten Burnout, also einem Zustand völliger Erschöpfung. Vor der Corona-Pandemie hatte dieser Anteil noch bei 33 Prozent gelegen. Für die Studie befragte der Berufsverband der Krankenschwestern und -pfleger knapp 60.000 Beschäftigte.

Besonders kritisch ist die Lage derzeit im Ballungsraum Paris mit rund zwölf Millionen Menschen. Nach Angaben der regionalen Gesundheitsbehörde sind dort 42 Prozent der Intensivbetten belegt. Ab 60 Prozent kann die Regierung den „Gesundheits-Notstand“ ausrufen, der ihr umfassende Vollmachten gibt. Nach Expertenprognosen könnte dies bis Anfang November der Fall sein.

Der Anteil der positiven Corona-Tests stieg in Paris auf 17 Prozent – laut Gesundheitsbehörde ist dies ebenfalls der höchste Stand seit Beginn der Pandemie.

Nach dem Flop bei der französischen Corona-Warn-App will die Regierung nach den Worten des Premierministers am 22. Oktober eine neue Version vorstellen. „StopCovid“ wurde nur 2,6 Millionen Mal heruntergeladen und ist damit nach Einschätzung von Experten weitgehend wirkungslos. Zum Vergleich: Die deutsche App wurde rund 18 Millionen mal installiert, also fast sieben Mal so oft.

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