Homeoffice hat sich in der Corona-Krise bewährt, darüber herrscht in Wirtschaft und Politik weitgehend Einigkeit – doch ob Beschäftigte künftig einen Rechtsanspruch darauf haben sollten, wird in der großen Koalition kontrovers diskutiert. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verteidigte seinen Vorstoß für einen verbindlichen Anspruch auf mindestens 24 Tage Homeoffice im Jahr am Montag damit, dass mobiles Arbeiten die Menschen zufriedener mache. Aus der Union kam weiter scharfe Kritik.
Im Zuge der Pandemie habe sich gezeigt, dass „technisch unglaublich viel möglich“ sei, sagte Heil dem ARD-„Mittagsmagazin“. Die Digitalisierung müsse aber „auch den Beschäftigten dienen“.
Im Deutschlandfunk sagte Heil, für die meisten Menschen bedeute mobiles Arbeiten „mehr Zeit für Familie, weniger Stress und auch weniger Stau“. Für eine moderne Arbeitswelt müsse es auch einen „modernen Ordnungsrahmen“ geben, forderte der SPD-Politiker.
Beim Koalitionspartner stießen die bereits am Wochenende bekanntgemachten Pläne des Arbeitsministers weiter auf Widerstand. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte einen gesetzlichen Anspruch als „nicht zielführend“, wie er der „Bild“-Zeitung sagte. Zwar könne Homeoffice „ein sinnvolles Arbeitsmodell sein“. Ob dort gearbeitet werden könne, müsse aber eine Entscheidung der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber bleiben.
Der Wirtschaftsrat der CDU warnte, das Arbeitsplätze in Gefahr geraten könnten. „Letztlich würden solche Vorgaben vor allem für diejenigen zur Einstellungsbremse, die mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit im Homeoffice arbeiten wollen: Pendler und Eltern kleinerer Kinder“, erklärte der Chef des Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger. „Denn Betriebe, die bereits gebeutelt aus der Krise hervorgehen, werden weitere Zusatzkosten scheuen.“
Eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsministerin Peter Altmaier (CDU) bekräftigte, dass er grundsätzlich Homeoffice unterstütze, dass es aber seiner Einschätzung nach keiner gesetzlichen Festlegung bedürfe. Laut Regierungssprecher Steffen Seibert ist die Ressortabstimmung zu einem Gesetzesentwurf des Arbeitsministers noch gar nicht eingeleitet. Im Koalitionsvertrag sei die Förderung der mobilen Arbeit festgeschrieben, fügte der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hinzu. Über die Umsetzung dieses gemeinsamen Ziels werde allerdings „noch viel zu beraten sein“.
Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) warnte, Heils Vorschlag berge „Konfliktstoff“. So würden etwa künftig Arbeitsgerichte klären müssen, in welchen Fällen es aus Sicht des Arbeitgebers berechtigt ist, den Wunsch auf Homeoffice abzulehnen. Außerdem drohe bürokratischer Aufwand und zudem werde die Frage aufgeworfen, wer für die Arbeitsplatzausstattung oder den Arbeits- und Gesundheitsschutz zuständig sei, wenn ein Rechtsanspruch gegen den Willen des Betriebs gerichtlich durchgesetzt würde.
Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung erklärte hingegen, ein gesetzlicher Rahmen für mobile Arbeit inklusive eines Rechts auf Homeoffice sei „sinnvoll und dringend nötig“. Nötig sei hierbei auch eine klare Abgrenzungen zwischen Arbeit und Freizeit, „damit beides nicht immer weiter verschwimmt“, erklärte die wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Stiftung, Bettina Kohlrausch. „Denn von dieser Gefahr berichten viele Beschäftigte, die mobil arbeiten – auch viele, die es eigentlich gerne tun.“
Unterstützung für Heils Vorstoß kam auch von den Grünen. Ein Rechtsanspruch auf Homeoffice sei „überfällig“, sagte Parteichefin Annalena Baerbock. „Corona hat gezeigt, was alles auch im Homeoffice möglich ist“, sagte sie. Wichtig sei hierbei, den Schutz aller Beschäftigten umfassend mitzudenken. Homeoffice könne immer nur freiwillig sein, ergänzend zum normalen Arbeitsplatz.