Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will am Dienstag einen Lagebericht zum Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden vorstellen. Das Bundesinnenministerium sieht zwar keine Hinweise auf strukturellen Rechtsextremismus in der Polizei, doch die Fälle in den Ländern häufen sich. Ein Überblick über bekannt gewordene rechtsextreme Fälle bei der Polizei:
Nordrhein-Westfalen
Seit Anfang 2017 gab es hundert Verdachtsfälle wegen Rechtsextremismus bei Polizeibediensteten. Bis Ende September wurden 92 Disziplinarverfahren gegen Polizisten wegen rechtsextremer Verdachtslagen registriert, davon acht mit Reichsbürgerbezug. Die übrigen acht Verdachtsfälle beziehen sich auf Tarifbeschäftigte innerhalb der Polizei. Allein in Mülheim an der Ruhr wurden Mitte September 30 Beamte des Polizeipräsidiums Essen wegen rechtsextremistischer Hetze in privaten Chatgruppen vom Dienst suspendiert.
Berlin
Hier wurde eine rassistische Chatgruppe bekannt, in der laut ARD-Magazin „Monitor“ auch offen Sympathien für Neonazis geäußert wurden – und zwar als „Verbündete“ gegen linksgerichtete Demonstranten. Zudem sollen Muslime als „fanatische Primatenkultur“ bezeichnet und Flüchtlinge mit „Vergewaltigern“ oder „Ratten“ gleichgesetzt worden sein. An dem Chat sollen über Jahre hinweg mehr als 25 Beamte einer Dienstgruppe der Berliner Polizei beteiligt gewesen sein. Sieben Beamte sollen sich dabei besonders mit extremistischen Äußerungen hervorgetan haben.
Hessen
Bereits Ende 2018 wurde bei der Polizei in Frankfurt am Main ein Netzwerk rechtsextremer Beamter entdeckt. Eine Rechtsanwältin, die eine Opferfamilie im Prozess gegen die rechtsextreme Terrorgruppe NSU vertreten hatte, hatte Drohbriefe erhalten. Dabei wurden Daten aus Polizeicomputern genutzt. Nach internen Ermittlungen sprachen die Sicherheitsbehörden später sechs Kündigungen oder Entlassungen aus.
„NSU 2.0“
Fast hundert rechtsextreme Drohschreiben mit dem Absender „NSU 2.0“ beschäftigten seit 2018 die Ermittler – der Name lehnt sich an die für zehn Morde und zwei Bombenanschläge verantwortliche rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) an. Die Absender der Schreiben griffen ebenfalls auf Polizeicomputer zu und nutzten dabei vertrauliche Daten.
Zwölf Briefe soll ein ehemaliger bayerischer Polizist verschickt haben, der im Juli enttarnt wurde. Zu den Empfängerinnen der „NSU-2.0“-Schreiben gehört auch die hessische Linken-Fraktionschefin Janine Wissler. Von Wiesbaden aus werden die Ermittlungen geführt, Spuren führen auch nach Hamburg und Berlin.
Mecklenburg-Vorpommern
Im Zuge von Ermittlungen wegen rechtsextremistischer Chats wurden im Nordosten zwei Polizisten vom Dienst suspendiert, wie im September bekannt wurde. Sie stehen im Verdacht, mit ihren Privathandys antisemitische, ausländerfeindliche sowie naziverherrlichende Nachrichten verschickt zu haben.
Sachsen
Die Leipziger Polizei ermittelt wegen des Verdachts auf Rechtsextremismus gegen einen Beamten in ihren eigenen Reihen, wie Ende September bekannt wurde. Der Polizist steht im dringenden Verdacht, sich in einem Chat rechtsextremistisch und rassistisch geäußert zu haben.
Verfassungsschutz und Innenministerium in NRW
Auch abseits der Polizei gibt es Fälle in den Sicherheitsbehörden: Kürzlich wurde bekannt, dass drei Mitglieder eines Observationsteams des NRW-Verfassungsschutzes unter Rechtsextremismus-Verdacht stehen. Sie sollen unter anderem islamfeindliche Videos verbreitet haben.
Besonders heikel dabei: Die inzwischen aufgelöste Gruppe war selbst für die Beobachtung auch von Rechtsextremen zuständig. In einem Fall wurde ein Dienstverbot ausgesprochen. Ein vierter Verdächtiger, Mitglied der Polizeiabteilung des Innenministeriums, soll auf Facebook Kontakt zu Rechtsextremen gehabt haben.