Seehofer stellt sich auf schwierige Verhandlungen über EU-Asylreform ein

Horst Seehofer - Bild: Achim Melde
Horst Seehofer - Bild: Achim Melde

Trotz massiver Kritik aus Osteuropa setzt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) weiter auf eine Grundsatzeinigung zur umstrittenen EU-Asylreform in diesem Jahr. Er sei sich bewusst, dass dies eine „sehr große“ und „schwierige Aufgabe“ sei, sagte Seehofer vor ersten Beratungen der EU-Innenminister am Donnerstag über einen neuen Reformvorschlag. Allen Mitgliedstaaten müsse aber klar sein, dass eine Einigung „für die weitere Handlungsfähigkeit Europas ganz entscheidend“ sei.

Seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise von 2015 sind immer wieder Versuche gescheitert, Europas Asylsystem zu reformieren. Knackpunkt war immer die Verteilung von Flüchtlingen auf die anderen EU-Staaten, um Ankunftsländer wie Italien oder Griechenland an den Außengrenzen zu entlasten. Osteuropäische Staaten weigerten sich kategorisch, Migranten aufzunehmen.

Die EU-Kommission hatte im September einen neuen Vorschlag unterbreitet. Er sieht beschleunigte Asylverfahren an den Außengrenzen und schnellere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber vor. Osteuropäische Länder wie Ungarn haben aber auch diese Pläne bereits abgelehnt, weil sie weiter Quoten für die Verteilung von Flüchtlingen in der EU enthalten.

Seehofer kündigte als Vertreter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft an, er wolle bei der Video-Konferenz mit seinen Kollegen nach einem Meinungsaustausch über den Kommissionsvorschlag einen „Fahrplan“ für das weitere Vorgehen vereinbaren. Demnach plant er ein Sondertreffen der EU-Innenminister am 13. November im Brüssel. 

Ziel sei danach „eine politische Einigung (…) über die wichtigsten Vorschläge der Kommission“ im Dezember, sagte Seehofer. Dies bedeute aber noch nicht, dass auch schon Rechtsakte verabschiedet würden. Das von ihm angestrebte „Ideal“ sei, dass dies unter der folgenden EU-Ratspräsidentschaft Portugals im ersten Halbjahr 2021 erfolge.

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson forderte von den Mitgliedstaaten „eine ausgewogene Herangehensweise“. Es sei nicht möglich, „ein paar Dinge herauszupicken und andere herauszulassen“, sagte die Schwedin. 

Ein Diskussionspapier des deutschen EU-Vorsitzes für das Treffen verlangt „von allen Seiten Kompromisse“. Angesichts der Erfahrungen der vergangenen Jahre sei ein „schrittweiser“ Ansatz“ sinnvoll, bei dem „nach und nach Einigungsbereiche zu Schlüsselfragen“ identifiziert würden, heißt es in dem Dokument, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt. 

Konzentrieren will sich Seehofer demnach zunächst auf drei Bereiche: auf die Verfahren bei der Ankunft an der EU-Außengrenze, die Verhinderung von Missbrauch des Asylsystems und Solidarität mit den Ankunftsstaaten. Unter „Solidarität“ fallen demnach die Flüchtlingsaufnahme und Alternativen dazu wie die Übernahme von Abschiebungen oder sonstige Hilfe vor Ort. Ziel ist laut dem Papier eine Grundsatzeinigung zu diesen Punkten beim Innenministerrat am 3. und 4. Dezember.

Die Hilfsorganisation Pro Asyl warnte vor dem Treffen erneut „vor der faktischen Abschaffung des Zugangs zum Recht auf Asyl“. Denn die EU-Kommission wolle, dass Länder wie die Türkei als sichere Drittstaaten eingestuft würden, erklärte die Initiative. Pro Asyl befürchtet, dass Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den EU-Grenzen „drastisch erleichtert werden sollen“.

Johansson wies zurück, dass sie eine „Festung Europa“ errichten wolle. Ihr Vorschlag schütze das Recht auf Asyl, sagte sie. Zudem sehe er Regelungen vor, die sicherstellten, dass angeblich ungerechtfertigte Zurückweisungen untersucht würden.

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