Trotz der begrenzten Teilnehmerzahl bei einem Generalstreik in Belarus hat die Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja eine positive Bilanz der Protestaktion gezogen. Zwar sei es Ziel der Opposition, dass sich „das ganze Land“ dem Protest gegen den autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko anschließe, sagte Tichanowskaja am Mittwoch bei einer Video-Pressekonferenz mit der norwegischen Außenministerin Ine Eriksen Söreide. Sie sei aber jedem dankbar, der sich an dem Streik am Montag beteiligt habe.
Die Streik-Teilnehmer bezeichnete die im litauischen Exil lebende Tichanowskaja als „Helden“. Das belarussische Volk habe gezeigt, „dass es bereit ist, gegen diese Diktatur zu kämpfen“. Sie nehme es jenen Menschen nicht übel, „die nicht die Kraft“ gefunden hätten, am Montag ihre Arbeit niederzulegen, sagte Tichanowskaja weiter. „Wir waren darauf, dass sie sich unserer Bewegung anschließen.“
Am Sonntag war eine Frist abgelaufen, die Tichanowskaja dem seit 1994 regierenden Lukaschenko für dessen Rücktritt gesetzt hatte. Sie forderte zudem die Freilassung aller politischen Gefangenen sowie ein Ende der Gewalt gegen friedliche Demonstranten.
Dem Aufruf der Opposition zum Generalstreik folgten am Montag trotz eines massiven Aufgebots an Sicherheitskräften tausende Menschen. Als Zeichen der Solidarität mit den streikenden Arbeitern gingen in Minsk und anderen Städten rund 3000 Studenten und Rentnerinnen auf die Straße. Landesweit wurden nach Behördenangaben mehr als 580 Menschen festgenommen.
Auch am Dienstag gab es laut unabhängigen Medienberichten wieder Streiks und Solidaritäts-Kundgebungen in mehreren Teilen des Landes. Lukaschenko setzte die Streikenden mit „Terroristen“ gleich. „Dies sind die Aktionen organisierter krimineller Gruppen mit Anzeichen für Terrorismus“, sagte er am Dienstag bei einer Kabinettssitzung.
In Belarus gibt es seit der von Manipulationsvorwürfen überschatteten Präsidentschaftswahl im August Massenproteste. Die Behörden gehen dabei gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vor, tausende Aktivisten wurden bereits festgenommen.
Unter den für mehrere Wochen Inhaftierten war auch der prominente US-Politikberater Witali Schkliarow. Am Mittwoch sagte Schkliarows Anwalt Anton Gaschinsky der Nachrichtenagentur AFP, sein Mandant sei nach seiner Freilassung vor wenigen Tagen nach Washington zurückgekehrt. Zuvor hatte US-Außenminister Mike Pompeo in einem Telefonat mit Lukaschenko die Freilassung des „unrechtmäßig inhaftierten US-Bürgers“ verlangt.
Laut dem offiziellen Wahlergebnis hatte Lukaschenko die Wahl mit mehr als 80 Prozent der Stimmen gewonnen, auf Tichanowskaja entfielen demnach lediglich rund zehn Prozent. Die EU bezeichnete die Wahl als weder frei noch fair und verhängte neue Sanktionen gegen politisch Verantwortliche in dem Land.