Kurz vor dem Ablauf eines Ultimatums der äthiopischen Regierung an die TPLF-Rebellen in der umkämpften Region Tigray hat Ministerpräsident Abiy Ahmed ausländische Staaten vor einer „Einmischung“ gewarnt. Die Regierung in Addis Abeba sei „sehr wohl in der Lage“, den Konflikt aus eigener Kraft zu lösen, erklärte Abiy am Mittwoch. Regierungstruppen umzingelten derweil Tigrays Regionalhauptstadt Mekele und forderten die 500.000 Einwohner auf, die Stadt zu verlassen.
Abiy, der 2019 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, hatte die TPLF am Sonntag aufgefordert, innerhalb von 72 Stunden aufzugeben. TPLF-Chef Debretsion Gebremichael erwiderte, die Tigray seien ein „Volk der Prinzipien“, für die sie „zu sterben bereit“ seien.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erinnerte angesichts der Eskalation daran, dass es durch das internationale Völkerrecht verboten sei, „absichtlich Zivilisten anzugreifen“. Auch die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet zeigte sich beunruhigt über die „ausgesprochen aggressive Rhetorik“ der beiden Konfliktparteien.
Der UN-Sicherheitsrat befasste sich erstmals mit dem Tigray-Konflikt. Allerdings sagten afrikanische Staaten ihre Teilnahme ab, um noch mehr Zeit für Vermittlung zwischen den Konfliktparteien zu erhalten. Die europäischen UN-Diplomaten berieten in nicht-öffentlicher Sitzung. Sie verurteilten nach Angaben von Teilnehmern der Beratungen „ethnisch motivierte Gewalt“ und forderten den Schutz von Zivilisten.
Auch die Bundesregierung zeigte sich „sehr besorgt“ über die jüngsten Entwicklungen am Horn von Afrika. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verfolge die Entwicklung „sehr aufmerksam“, erklärte Vizeregierungssprecherin Martina Fietz in Berlin. Deutschland unterstütze die Bemühungen der Afrikanischen Union, zu einer „Deeskalation der Lage“ beizutragen.
In Tigray gibt es bereits seit Monaten Spannungen. Die dort regierende TPLF dominierte drei Jahrzehnte lang die äthiopische Politik, bevor der aktuelle Regierungschef Abiy 2018 an die Macht kam. Anfang des Monats sandte Abiy Streitkräfte nach Tigray, wodurch der Konflikt mit der TPLF vollends entbrannte.
Hunderte Menschen sind Berichten zufolge bei den Kämpfen bisher getötet worden, rund 40.000 flohen aus dem Konfliktgebiet in den benachbarten Sudan. Das Ultimatum der Regierung in Addis Abeba lasse „ein Blutbad befürchten“, erklärte die Vize-Vorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag, Heike Hänsel. Deutschland müsse sich für einen sofortigen Waffenstillstand und eine politische Lösung des Konflikts einsetzen.